Montag, 6. Juli 2015

Die Sache mit Hartmut Engler...

Wir schreiben das Jahr 2015, der Sommer kommt bis Juli irgendwie nicht in die Gänge und weil es am Abend zu kalt ist, sitzt man doch wieder vor dem TV Gerät und bestaunt die zweite Staffel von "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert". Dort rührt Dienstag für Dienstag Andreas Bourani die Nation zu Tränen und singt nebenbei alles außer Xavier Naidoo an die Wand, wir erleben die Neuerfindung von Yvonne Catterfeld, staunen über unsouveräne Prinzen, die einen Christina Stürmer Fanclub gründen wollen und fragen uns die ganze Zeit: Wer zum Teufel ist eigentlich Daniel Wirtz? Es wird viel abgeklatscht und noch viel mehr umarmt und weil es keine Castingshow ist, ist nichts peinlich, alle wunderbar und jeder in jedem Moment großartig. Das am meisten benutze Wort neben unglaublich ist unfassbar, weil alles so unglaublich, unfassbar gut ist: Die Songs, die Stimmen, die Interpretationen, die Menschen, der Gastgeber. Heile Welt am anderen Ende der derselben.

Alle Beteiligten stehen für deutsche Texte, überhaupt wird in Deutschland so viel deutsch gesungen wie nie zuvor, selbst die etwas ausgefranste Sarah Connor hat dieser Tage ein Album namens „Muttersprache“ in den Regalen. Konsequenterweise hätte sie ja anlässlich dessen auch zurück zum Geburtsnamen Sarah Lewe wechseln können, aber ich schweife ab.

Ja, und dann sitzt da noch - irgendwie verloren, irgendwie aus der Welt gefallen - Hartmut „Pur“ Engler, dessen große Stunde am 16. Juni 2015 schlägt, als die Songs seiner Band im Mittelpunkt stehen. Mit 2,53 Millionen Zuschauern schalteten mehr Vox-Zuschauer als jemals zuvor "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert" ein. Auch die "Pur-Story" im Anschluss an das Tauschkonzert erreichte an jenem Abend einen neuen Bestwert: Die Dokumentation über den Sänger des Abends und seine Band kam auf insgesamt 2,31 Millionen Zuschauer, was mehr ist, als das Tauschkonzert sonst im Schnitt erreicht.

Zeit also, sich einmal einem seiner Texte zu widmen. Dachte ich. Denn je tiefer ich mich in die Welt des Sängers aus Großingersheim hinein begab, desto orientierungsloser und unsicherer wurde ich. Charakteristisch für seine Texte ist eine Mischung aus Alltagssprache und selbstdefinierter Poesie. Bei ihm sind mal die „Nerven am zerfetzen“, dann hat er das Licht am Ende des Tunnels „fest in Sicht“, er weint vor Glück und hat sich dabei höchstens seiner „Tränen stolz geschämt“. Alles ist sehr emotional. In vielen Texten geht es darum, dass das Gefühl über den Verstand siegen muss, damit man das Glück findet. Gern geschehen dabei regelrechte Wunder. Er sagt Sachen wie „Ich fühl' mich eifersüchtig, wohl nach Dir“ und obwohl solche und ähnliche Sätze kaum Sinn ergeben, versteht man doch irgendwie immer was er meint. Hartmut erfindet dann auch mal neue Worte wie Herzbeben und Funkelperlenaugen, manchmal biegt er die Grammatik zu seinen Gunsten und es gibt kaum eine Binsenweisheit aus Opas Zeiten, die nicht irgendwo in einem Text verbaut wurde.

In der Sendung vom 16. Juni gab es dann den unbestritten emotionalen Höhepunkt der Staffel, als Daniel Wirtz das vom Ballast des Pur-Arrangements befreite „Wenn sie diesen Tango hört“ sang. Hartmut Engler weinte und halb Zuschauerdeutschland auch. Diesen Moment kann man mit keiner Textkritik und keinem Zynismus der Welt kleinkriegen.
In der anschließenden Pur Story waren eine Menge (und wir sprechen von einer wirklich, wirklich großen Menge) Menschen, die seine Texte sangen, sich zu den Liedern von Pur küssten, umarmten und ebenfalls weinten. Einer erzählte, dass er früher Pur-Texte abgeschrieben und als Liebesbriefe verschickt habe. Und das war der Moment bei dem es bei mir Klick machte. Denn ich habe so etwas mit 14 auch gemacht, allerdings mit Citys „Am Fenster“. Und das ist der Punkt: Hartmut Englers Texte mögen schlageresk sein, kitschig und übertrieben pathetisch. Aber wenn es die Leute ins Mark trifft, wenn sie sich selber darin wieder finden, muss man dann nicht konstatieren, dass das in Ordnung geht?

Mein Liebesbrief bediente sich der Worte der Dichterin Hildegard Maria Rauchfuß:

Einmal wissen, dieses bleibt für immer
Ist nicht Rausch, der schon die Nacht verklagt
Ist nicht Farbenschmelz noch Kerzenschimmer
Von dem Grau des Morgens längst verjagt

Einmal fassen, tief im Blute fühlen
Dies ist mein und es ist nur durch dich
Nicht die Stirne mehr am Fenster kühlen
Dann ein Leben schwer vorüber strich

Einmal fassen, tief im Blute fühlen
Dies ist mein und es ist nur durch dich
Klagt ein Vogel, ach, auf mein Gefieder
Nässt der Regen, flieg ich durch die Welt

Ein Liebesbrief mit Texten von Hartmut Engler dürfte sich etwa so lesen:

Wenn der Himmel mir jetzt auf den Kopf drauf fällt,
bist du die Einzige, die noch zu mir hält.
Ich brauche jetzt deine ruhige Hand.
Oh, meld dich doch bei mir,
ich gäbe sonst was dafür.

Oder eben:

Ich lieb' Dich, egal wie das klingt
Ich lieb' Dich, ich weiß, dass es stimmt
Denn ich lieb' mich bei Dir, ich lieb' mich an Dir
Ich lieb' mich in Dir fest, wenn Du mich nur lässt

Das Gedicht von Hildegard Maria Rauchfuß ist Lyrik, ein geschliffenes Kleinod, welches ohne Toni Krahls lautmalerische Zusätze und Gogows Geige vielleicht gar kein so großer Hit geworden wäre. Pur spielt auf Schalke vor 50.000 Menschen und wenn Hans oder Peter am Abend von der Arbeit nach Hause kommen, bei welchem Satz würden sie sich wohler fühlen? Würden sie Uschi tief in die Augen blickten und sagen: „Uschi, einmal fassen, tief im Blute fühlen, dies ist mein und es ist nur durch dich!“? Oder lieber: „Ich lieb' mich in Dir fest, wenn Du mich nur lässt.“?

Für mich ging das Eine mit 14 in Ordnung, für Andere tun es Hartmuts Funkelperlenaugen. Ich selbst würde mich nie in Jemandem fest lieben wollen, an diesem Punkt kann man mit Textkritik ansetzen. Es gibt unbestritten ein Handwerk beim Texten, welches sich auf Reim und Metrum bezieht. Aber es gibt Grenzen, vor denen jede Kritik versagt, wenn ehrliche und tiefe Gefühle bei Menschen geweckt werden.

Fazit: Hartmut, du hast etwas geschafft, was dir keiner nehmen kann. Dafür gilt es, Respekt zu zollen.

Mittwoch, 10. Juni 2015

Tokio Hotel „Durch den Monsun“


Neulich Nacht werde ich doch wach und frage mich: „Warum eigentlich Monsun? Warum nicht Orkan, Hurrikan, Taifun oder einfach Sturm?“ Die eigentliche Frage ignorierend, warum mich ein 10 Jahre alter Song des Nachts heimsucht, machte ich mich an die Analyse des Textes der Magdeburger Band um die Kaulitz – Zwillinge. Deren erste Single „Durch den Monsun“ jagte 2005 durch die Decke und bescherte der Band Tokio Hotel einen heftigen Sturm des öffentlichen Interesses.
Nachdem ich den Text noch einmal gelesen hatte, recherchierte ich dessen Entstehung und musste leider alle strafmindernden Umstände revidieren. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsarbeit von sage und schreibe 5 Personen, die sich für Musik und Komposition angemeldet haben und der damals gerade erst strafmündig gewordene Bill Kaulitz ist nur einer davon. Dem androgynen Jüngling standen gleich vier Erwachsene zur Seite, darunter der Ex-Boygroup-Star und Autor David Jost und der Erfolgsproduzent Peter Hoffmann.

Das Fenster öffnet sich nicht mehr
Hier drin ist es voll von dir und leer
Und vor mir geht die letzte Kerze aus
Ich warte schon ’ne Ewigkeit
Endlich ist es jetzt soweit
Da draußen zieh’n die schwarzen Wolken auf

Ist das kryptisch? Arbeiten die Autoren hier mit Chiffren? Ist das pure Poesie, der man nur mit der Seele nachspüren kann? Ist alles konkret situativ beschrieben? Handelt es sich um zusammengepanschten Blödsinn?
Ich entscheide mich dafür, den Text nicht wörtlich zu nehmen, sondern darin Metaphern zu sehen. Allerdings sollten auch in diesem Fall Bilder und Bezüge innerhalb des Textes stimmen – ich komme darauf noch zu sprechen.
Demnach ist das Fenster also kein Fenster zum Hof, sondern das Fenster, welches sich normalerweise öffnet, wenn, wie eine Binsenweisheit besagt, irgendwo eine Tür zufällt. Da nun dieses Fenster sich nicht öffnet, es also keine Hoffnung gibt, werden wir verhaftet, um Zeuge zu werden, wie das lyrische Ich an der verlorenen, unglücklichen oder wahlweise auch bedrohten Liebe leidet.
Der poetische Raum ist zugleich voll und leer von der (vermutlich) arg vermissten Person und wer darin eine Paradoxie erkennen möchte hat in der Jugend nie geliebt.
Ein winziger Fingerzeig auf das leidige Thema Reim: Sauber reimen sich nur die ersten beiden Zeilen, für mehr reicht es zunächst nicht.
Weil alles so düster und traurig ist, geht die letzte Kerze aus und ich bin dankbar, dass der letzte Rest sterbender Hoffnung hier im Gewand der verlöschenden Kerze daher kommt und nicht namentlich erwähnt wird.
Nach drei Zeilen bekommt der Text dann einen Dreh, der ihn zum Refrain führen soll. Kurz das Klischee der gewarteten Ewigkeit zitiert, ohne die kein Liebesschmerzsong existieren kann, dann ist es endlich so weit, denn es ziehen schwarze Wolken auf – draußen, vor dem Fenster welches sich nicht mehr öffnet. Denn:

Ich muss durch den Monsun hinter die Welt
Ans Ende der Zeit bis kein Regen mehr fällt
Gegen den Sturm am Abgrund entlang
Und wenn ich nicht mehr kann, denk’ ich daran
Irgendwann laufen wir zusammen
Durch den Monsun, dann wird alles gut

Wenn es ein exemplarisches Beispiel für Metaphern-Häufung gibt, dann ist es dieser Abschnitt. Es genügt nicht, dass sich das lyrische Ich durch eine großräumige Luftzirkulation der unteren Troposphäre im Gebiet der Tropen und Subtropen im Einflussbereich der Passate kämpfen muss, es muss dabei noch hinter die Welt, an das Ende der Zeit und am Abgrund entlang. Das ist ziemlich viel verlangt aber wenn der Liebesschmerz groß ist, müssen es die Bilder auch sein. Das Ziel des ganzen Aufstandes wird auch benannt: Das lyrische Ich will irgendwann mit der (vermutlich) arg vermissten Person wieder zusammen sein und mit ihr durch den sturmgepeitschten Regen laufen. Dann wird alles gut.
Allerdings beantwortet das nicht die Frage, warum es ein Monsun sein muss. Seine stärkste Ausprägung und zugleich seinen Wortursprung hat der Begriff Monsun im Raum des Indischen Ozeans. Ist dies für die Autoren das Ende der Welt, welches es zu erreichen gilt? Ist die (vermutlich) Angebetete eine Inderin?
Ich will gnädig sein und annehmen, dass es sich um eine starke Metapher für Tränen handeln soll. Ein Sturm der Gefühle, der das lyrische Ich an den Abgrund drängt und nur das gemeinsame Weinen mit der (vermutlich) arg vermissten Person, macht alles wieder gut.

Weniger liebevolle Texte haben oft die Eigenschaft, dass einer leidlich schlechten ersten Strophe eine richtig schlechte zweite folgt. So auch in diesem Fall. Offensichtlich war man schon hoffnungslos mit Strophe Eins und Refrain überfordert, also Augen auf und durch:

n halber Mond versinkt vor mir
War der eben noch bei dir
Und hält er wirklich was er mir verspricht
Ich weiß, dass ich dich finden kann
Hör’ deinen Namen im Orkan
Ich glaub noch mehr dran glauben kann ich nicht

Ich sprach weiter oben von Bezügen innerhalb des Textes. Einen ganz klassischen Fehler findet sich gleich in Zeile eins. Die schwarzen Wolken, die eben noch aufzogen, und der Monsun der hereinbrach genügen offensichtlich nicht, um zu verhindern, dass das lyrische Ich dem halben Mond beim Versinken zusehen kann. Was braucht es jetzt eigentlich einen Mond? Warum diese kindlich naive Frage, ob jener eben noch bei der (vermutlich) arg vermissten Person (die von nun an im Text als „Varvep“ abgekürzt wird) war? Um die Verwirrung zu krönen soll dieser Mond auch noch etwas versprochen haben, das in Frage gestellt wird. Um welches Versprechen es sich handelt, was das alles mit der großräumigen Luftzirkulation zu tun hat bleibt das Geheimnis der Autoren.
Die zweite Hälfte der Strophe versöhnt mit einer Rückkehr zum Optimismus und zum schlechten Wetter, allerdings frage ich mich, wer den Namen der Varvep in den Orkan hinein ruft. Das rote Kreuz? Die Feuerwehr?
Bei all den Unzulänglichkeiten unerwartet, zeigt sich in dieser Strophe eine klare Reimstruktur, die man gar nicht so häufig findet: aa b cc b

Ich muss durch den Monsun Hinter die Welt
Ans Ende der Zeit bis kein Regen mehr fällt
Gegen den Sturm am Abgrund entlang
und wenn ich nicht mehr kann, denk’ ich daran
Irgendwann laufen wir zusammen
Weil uns einfach nichts mehr halten kann
Durch den Monsun

Der zweite Refrain unterscheidet sich nur um die hinzugefügte vorletzte Zeile, die uns – Klischee sei Dank – versichert, dass das lyrische Ich und die Varvep nicht mehr gehalten werden können, was impliziert, dass sie noch vor kurzem gehalten wurden. Nur von wem? Und warum?

Ich kämpf mich durch die Mächte, hinter dieser Tür
werde sie besiegen und dann führ’n sie mich zu dir
Dann wird alles gut, dann wird alles gut
Wird alles gut, alles gut

Auch eine schöne Steilvorlage, bei der kaum etwas gut wird, geschweige denn alles. Zunächst bestätigt sich der Verdacht, dass das Leben eben noch eine Tür zufallen ließ. Hinter dieser lauern nämlich finstere Mächte wie Eltern, Klassenkameraden, Schicksale und/oder Zombofanten, die, wenn sie besiegt wurden, auch noch so nett sind, das lyrische Ich zur Varvep zu führen. Herrlich.

Fazit: Wenn man jung ist und Liebeskummer hat, schreibt man solche Texte ins Poesiealbum und schämt sich später dafür. Der Erfolg des Songs gibt allen Beteiligten Recht – rechtfertig jedoch nicht dessen Lieblosigkeit.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Unheilig „Wir sind Gipfelstürmer“

Ich hatte den Grafen schon an anderer Stelle am Wickel, aber sein neues Album bietet einfach zu viel Stoff zum nachhaken und so kann ich nicht zulassen, dass er sich ungestraft vom Acker macht. Reden wir also erneut über den Meister des zuckerwattigen Pathos.

Ich habe mir ganz spontan „Wir sind Gipfelstürmer“ herausgesucht, weil ich annehmen muss, dass dieser Song dem aktuellen und angeblich letzten Album den Namen gegeben hat. Ich vermutete daher, dass es ein ganz besonderer Song sein muss.
Unsere schöne neue Medienwelt beschert uns nicht nur Candy Crush, IBAN und Facebook Nutzungsbedingungen, nein, der Graf höchstselbst erklärt uns auf You Tube worum es bei „Wir sind Gipfelstürmer“ geht. Ich zitiere wörtlich:

„Das Lied handelt im Grunde genommen von der Botschaft, loszugehen, nicht immer alles auf Morgen zu verschieben, sondern einfach den Weg zu gehen, und dass wir das heute anpacken, dass wir heute starten, dass wir heute auf zu neuen Gipfeln gehen, dass wir heute in die großen Berge gehen, und dass wir dort auf ein großes Abendteuer gehen und irgendwann auf unserem großen Gipfel des Glücks ankommen.“

Na, dann schauen wir mal:

Die Kolben schlagen Sturm im Lauf
Es ruft das Horn zum Berg hinauf

An dieser Stelle sei vorweggenommen, dass das Motiv der Dampflok ganz wesentlich den Text bestimmt. Ohne diese Bedienungsanleitung wäre die erste Zeile nicht nur einfach schlecht (was sie auch mit dem Wissen um die Dampflok ist), sie wäre schlicht noch unverständlicher als sie es ohnehin schon ist.
Wie kann man einen Text mit so einem gedrechselten Quatsch beginnen? Die Kolben einer Dampfmaschine bewegen sich in den Zylindern, angetrieben vom Dampf wandeln sie Wärmeenergie in kinetische Energie um. Gut, lassen wir sie schlagen, lassen wir sie meinetwegen auch Sturm schlagen, die dichterische Freiheit ist groß. Akzeptieren wir auch, dass so eine Maschine läuft, sich fortbewegt, was auch immer. Aber noch einmal ganz langsam zum Mitmeißeln: Die – Kolben – schlagen – Sturm – im Lauf?

Es gilt, den Blödsinn zu geißeln und zu entlarven wo immer wir ihn treffen, auch wenn er sich hinter hochtrabenden Fassaden zu verstecken sucht!

Das war Zeile eins, bleibt uns nur noch das Horn, welches zum Berg hinauf ruft. Wir können annehmen, dass es das Signal der Lok ist, wobei es sich allerdings um eine dampfbetriebene Pfeife handelt, weswegen ich annehme, dass das lyrische Ich ein eigenes Signalhorn (Waldhorn, Flügelhorn, Posthorn, Jagdhorn, Olifant?) dabei hat, welches wie von Zauberhand von selbst ertönt, denn das Horn ist das Subjekt und ruft selbst. Was ruft es eigentlich? Ach, ich frage lieber nicht, das war schon genug Elend für gerade mal zwei Zeilen.
Lobend sei darauf hingewiesen, dass Lauf/hinauf sauber gereimt wurde. Spoiler: Es wird dem Grafen weiter unten ein zweites Mal gelingen.

Mit Kohlenglut und Feuerschein
An Täler, Tann' und Seen vorbei
Der Gipfel ruft uns aus der Ferne
Die Reise zieht uns in die Berge

Das singt er wirklich, ich hab noch zwei-, dreimal nachgehört. Warum korrigiert ihm denn keiner die Grammatik? Woran fahren wir vorbei? An Tälern! Das lässt sich sogar singen und wenn ihn das n nervt, dann doch gern „an Tal, und Tann' und See vorbei“. Apropos Grammatik: Wo ist eigentlich das Verb in den ersten beiden Zeilen? Bis zu diesem Zeitpunkt ist noch immer nicht klar, ob wir nicht mit Kohlebecken und Fackel über den Gletscher watscheln. Von fahren jedenfalls ist nirgendwo die Rede.
Nachdem das Horn-Subjekt schon zum Berg hinaufgerufen hatte, ruft nun ein ähnliches Gipfel-Subjekt aus der Ferne zurück. Ob es sich dabei eines Horns bedient oder einfach die Gipfel-Stimme erklingt, bleibt unserer wohlwollenden Interpretation überlassen. Noch besser wird es in Zeile vier, wenn uns das Reise-Subjekt in die Ferne zieht. Ich habe schon von Fernweh gehört, welches uns irgendwohin zieht, eine Reise jedoch, die einen Anfang, einen Verlauf und ein Ende hat, kann uns schwerlich ziehen, sie könnte uns rufen, aber das ist ja dem Gipfel vorbehalten. Führen? Was frag ich?
Es reimt sich weder Schein auf vorbei, noch Ferne auf Berge, hier haben wir es also eine Nulllösung auf diesem Gebiet.

Wir steigen an, bis wir am Himmel sind
Hoch hinaus, bis zum Wolkenrand der Welt
Wir ziehen los, immer weiter, immer höher
Und immer schneller
Bis zum Himmel um die Welt
Wir sind die Gipfelstürmer

Dank der Bedienungsanleitung wissen wir, dass wir eigentlich in einem Zug sitzen und wir vermeiden tunlichst die Frage, warum wir als Gipfelstürmer des Glücks verdammt noch mal auf eine Gehhilfe angewiesen sind. Also steigen wir nun an, bis wir am Himmel sind und weil das physikalisch noch nicht dumm genug und poetisch noch nicht abgegriffen genug ist, geht es noch ein Stückchen höher zum Wolkenrand der Welt. Wolken haben Ränder, die Welt jedoch hat keinen Rand, jedenfalls nicht mehr seit dem Mittelalter und Wolkenränder hat die Welt schon mal gar nicht, das ist Tatsache.
Wenn man sich den Refrain als Ganzes anschaut fällt auf, dass der Texter ziemlich vernarrt in den Himmel ist, die Formulierung „bis zum Himmel um die Welt“ schreit jedenfalls zum Selbigen. Etwas plump und unvermittelt wirkt deshalb die letzte Zeile. Was hat der Himmel jetzt genau mit dem Gipfel zu tun, den wir erstürmen, Verzeihung, befahren wollen? Ich habe vom Kopfschütteln schon einen steifen Hals.

Der Gleise Stahl führt uns den Weg
Es schreit der Pfad, es zittern Höhen

Da jubelt der Poet in mir: „Der Gleise Stahl“ statt der „Stahl der Gleise“... Was macht das eigentlich mit einer Formulierung, wenn man sie derart verdreht? Geht es nur mir so, oder denkt der ein oder andere auch an den aggressiven Duktus alter Reichsparteitagsreden?
Zeile zwei bildet den bisherigen Höhepunkt des Textes. Wann schreibt man so eine Zeile? In welchem Zustand muss man sich befinden, um sie nicht spätestens vor der Aufnahme in einem Tonstudio zu streichen? Hat der Mann keine Freunde, die ihn zur Seite nehmen und fragen: „Sag mal Bernd, willst Du ernsthaft von schreienden Pfaden und zitternden Höhen singen? Das reimt sich ja nicht einmal."

Im Eisentier durch Schnee und Sturm
Die Berge spiegeln unser Horn
Vom Himmelrand ruft uns die Ferne
Die Freiheit zieht uns in die Berge

Die Dampflok wird auch gern als Dampfross bezeichnet, die Metapher Eisentier kann durchaus als gelungen bezeichnet werden, allerdings fehlt wieder einmal das Verb, welches wir gedanklich hinzufügen müssen und den offiziellen Beweis, dass wir in einem Zug sitzen und auf der Gleise Stahl zum Gipfel rauschen bleibt uns der Text weiterhin schuldig.
Grassierender Unsinn auch in der zweiten Zeile, denn es wird behauptet, dass die Berge das Horn spiegeln, wo sich doch bestenfalls die Berge selbst im blankgeputzten Horn spiegeln könnten. Aber mit der Physik steht der Text eh auf dem Kriegsfuß.
Das Rufen und das Ziehen hat dem Grafen so gefallen, dass zur Abwechslung jetzt nicht der Gipfel aus der Ferne, sondern die Ferne selbst aus der Ferne ruft und dort, wo uns eben noch die Reise zog, da ist es nun die Freiheit, die uns in die Berge zieht und wir wagen nicht zu fragen, was dass denn für eine Freiheit ist, die uns zieht und uns somit unfrei macht. Das Ganze Elend mit Nullreim bei Sturm/Horn und Ferne/Berge, welches wir weiter oben schon einmal hatten.

Und irgendwann, wenn wir den Gipfel im Licht sehen
Ist das Glück zum Greifen nah, dort oben zu stehen
Ist das Glück zum Greifen nah
Bis zum Himmel um die Welt

Auch ein schöner Satz. Bedeutet so viel wie: Wenn man den Gipfel sehen kann, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, auch bald auf auf ihm zu stehen. Was für ein Geschwalle!
Dafür präsentiert uns der Autor hier seinen zweiten und letzten sauberen Reim: sehen/stehen.

Wir steigen an, bis wir am Himmel sind... usw.

Fazit:

Die Kolben treiben Räder an,
der Graf sitzt in der Eisenbahn,
fährt sehr bequem durch Tal und Tann
und kommt alsbald am Gipfel an.

Die Ferne ruft, der Gipfel auch,
die Reise zieht, so ist der Brauch,
ihn an den Wolkenrand der Welt,
dort steht der Graf nun stolzgeschwellt.

In seinem Berg, da spiegeln schön
sich Hörner, die im Lichte steh'n,
dort wohnt das Glück in Ewigkeit,
unheilig schön und tief verschneit.

Es schreit der Pfad, es zittern Höh'n,
so könnt' es ewig weiter geh'n.
Doch bald zieht ihn die Freiheit fort,
darauf gab Bernd sein Ehrenwort.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Mark Forster „Au Revoir“



Das Jahr 2014 sollte nicht zu Ende gehen, ohne dass wir diesen gewaltigen Single-Hit würdigen, der vor allem in den gängigen Formatradios bis zum Erbrechen rund gespielt wurde. Mark Forster ist ein nicht mehr so ganz junges Talent, welches aus dem pfälzischen Winnweiler nach Berlin zog, um von dort die Welt zu erobern. Dass er dort irgendwann Sido über den Weg lief, war ein großes Glück für Beide. Zunächst veredelte Mark dessen Single „Einer dieser Steine“ als Refrainsänger, was Herrn Paul Hartmut „Sido“ Würdig schon mal eine goldene Schallplatte einbrachte. Da war es nur folgerichtig auch Mark auf's Treppchen zu helfen, was mit vorliegender Produktion perfekt gelang. Glückwunsch.

In diesem Haus, wo ich wohn',
hier ist alles so gewohnt,
so zum Kotzen vertraut.
Mann, jeder Tag ist so gleich,
ich zieh Runden durch mein' Teich,
ich will nur noch hier raus.

Kennt noch jemand die Redewendung „Gegen Windmühlenflügel kämpfen“? Der alte Don Quijote reitet aus, um ritterliche Taten zu vollbringen, doch es gibt schon lange keine Ritter mehr und die Riesen, gegen die er sinnlos anrennt, sind doch nur Windmühlen. Und so wie man diese Erzählung und die Bedeutung der Redewendung vergessen wird, so werden auch die schönen deutschen Endungen „e“ und „en“ in den Orkus der Geschichte wandern. Und wer wird schuld sein? Die Pop-Musik.
Unser lyrisches Ich jedenfalls schert sich weder um Grammatik noch um den Typen im ersten Stock, der immer seine Tochter schlägt, das alles ist ihm zum Kotzen vertraut (der Imbiss an der Ecke scheidet wohl als Ursache aus), deshalb muss es einfach weg. Basta.

Ich brauch mein' Platz und frischen Wind,
ich muss schnell wo anders hin,
sonst wachs' ich hier fest.
Ich mach 'nen Kopfsprung durch die Tür,
ich lass' alles hinter mir,
hab' was Großes im Visier,
ich komm' nie zurück zu mir.

Gut, dass wir das mit dem „e“ und „en“ geklärt haben. Als lyrisches Highlight – und das meine ich ganz ehrlich – wird ein Kopfsprung durch die Tür gewagt. Gut, dass wir in der ersten Strophe erfahren haben, dass das lyrische Ich hier seinen metaphorischen Teich hat, also wird es nicht auf das Pflaster knallen, sondern sanft in die Fluten gleiten. Warum die letzte Zeile „ich komm nie zurück zu mir“ statt „ich komm nie hier her zurück“ lautet ist mir ein Rätsel. Des Reimes wegen wird Mark das nicht gemacht haben, denn den gab es schon vorher. Also handelt es sich um das typisch pseudointellektuelle Geschwurbel, bei dem sich Leute verlieren und/oder wiederfinden müssen, oder eben nie zu sich zurückkehren. Liebe Texter, nehmt Euch bitte wörtlich, dann passiert so ein Quatsch nicht.

Es gibt nichts, was mich hält au revoir,
vergesst wer ich war,
vergesst meinen Nam'!
Es wird nie mehr sein, wie es war,
ich bin weg, oh, oh, au revoir.

Das kommt dabei heraus, wenn man den oh, oh, onomatopoetischen Wohlklang der Interjektion „oh“ mit dem französischen „au revoir“ kombiniert: Ein Hit-Refrain. Da nehmen wir doch gern einen verstümmelten „Nam“ in Kauf (hoffentlich kein Kürzel für Leichnam).

Auf Wiederseh'n? Auf kein'.
Ich habe meine Sachen gepackt, ich hau rein.
Sonst wird das für mich immer nur dieser Traum bleiben.
Ich brauch Freiheit, ich geh auf Reisen,
ich mach alles das, was ich verpasst hab,
fahr mit 'nem Gummiboot bis nach Alaska,
ich spring in Singapur in das kalte Wasser,
ich such das Weite und dann tank ich neue Kraft da.

So, nun also Sido, der vor gar nicht so langer Zeit noch die Massen mit so schönen Texten wie dem Arschficksong beglückte. Aber unser Langzeitgedächtnis ist abgestorben und warum sollen Gangsta Rapper und böse Buben nicht auch die Chance erhalten, reich zu werden und obendrauf einen Integrations-Bambie zu bekommen? Aggro goes Pop, irgendwie ist das ja auch tröstlich und wunderbar bieder.
Herr Würdig verschluckt nicht mehr nur Endungen sondern gleich ganze Phrasen. „Auf keinen Fall“ reimt sich nun einmal nicht auf „ich hau rein“, das versteh ich voll. Dankbar sind wir alle dafür, einen neuen Reim ins Reimlexikon aufnehmen zu können: Von nun an reimt sich "Wasser" (sprich Wassa) auf "Alaska" oder wahlweise "Kraft da".
Apropos bieder: Freiheit, auf Reisen gehen, alles machen, was man verpasst hat... Die Klischees klappern und man möchte fast das Weite suchen, wenn man nicht so unendlich gespannt wäre, wie es denn nun weiter geht.

Ich sehe Orte, von den' andere nie hörten.
Ich fühl mich wie Humboldt oder Steve Irwin.
Ich setz mich im Dschungel auf den Maya-Thron,
auf den Spuren von Messner, Indiana Jones.

Wow, jetzt gibt es eine gehörige Demonstration Bildung die zeigt, dass Drogen doch gar nicht so schädlich sein können. Trotzdem werfen einige Vergleiche mehr Fragen auf als ich Antworten habe. Wie sich Alexander Humboldt (sein Bruder Wilhelm kam über Eropa nicht hinaus), der große Entdecker, nach seinen ausgedehnten Reisen gefühlt hat, kann man sich noch vorstellen. Wie es ist, mit dem Stachel eines Rochens im Herzen zu sterben, wie es Steve Irwin geschah, ist schon schwieriger. Irgendwo, scheint es, lauert die Provokation unter der Oberfläche des Textes, der alte Arschficker ist noch nicht so ganz verschwunden und da ist es auch konsequent, dass man Reinhold Messner neben eine fiktive Figur stellt, die allein in unserer Vorstellungskraft auf der Halbinsel Yucatán gewesen sein könnte.

Der Phönix macht jetzt 'n Abflug.
Au revoir, meine Freunde macht's gut,
ich sag dem alten Leben Tschüss,
Affe tot, Klappe zu,
wie die Kinder in Indien, ich mach 'n Schuh.

Früher war es üblich, dass kleine Affen in einer Holzkiste am Kassenhäuschen eines Zirkus als Attraktion gezeigt wurden. Starb dieser Affe, blieb die Klappe geschlossen und es fand keine Vorstellung statt. Das bringt uns jetzt hier zwar nicht weiter, ist aber doch mehr Information, als der ganze Text zusammen enthält.
Über den Schlusssatz muss ich noch ein paar Worte verlieren. Ich mag keine Ahnung von Rap haben, es ist mir auch egal mit welchem zynischen Kalkül Leute an der Nase herumgeführt werden, denn was gefällt hat auch seine Berechtigung. Aber: „Ich mache es wie die Kinder in Indien: Ich mache 'n Schuh“? In welchem Universum ist das ein gelungener Wortwitz? Man geht davon aus, dass bis zu 60 Millionen Kinder in Indien zwischen 5 und 14 Jahren zeitweise oder regelmäßig arbeiten müssen. Kindheit? Fehlanzeige. Aber was schert das einen Typen aus dem Block, der jetzt im beschaulichen Hohen Neuendorf residiert.

Es gibt nichts was mich hält, au revoir,
vergesst, wer ich war,
vergesst meinen Nam'!
usw. usf.

Fazit: Ach, könnten wir der Aussage des Songs nur vertrauen! Leider bleibt zu erwarten, dass wir von allen Beteiligten noch viel zu hören bekommen.

Freitag, 15. August 2014

Andreas Bourani „Auf uns“



Irgendwie kommt man in diesem Sommer um „Auf uns“ nicht herum. Ich habe mal ein paar Feldtests gemacht und Leute befragt, was sie mir von dem Song vorsingen können. Jeder kannte das Lied, keiner kannte auch nur eine einzige Strophenzeile. Beim Refrain kamen die meisten bis „ein Hoch auf uns“ und sangen dann weiter: „auf das was bleibt“. Singt er aber nicht.
Ich habe nichts gegen Andreas, er wirkt sehr bodenständig und ist in den letzten Jahren sehr fleißig gewesen. Auch die neue Frisur ist toll. Der Text allein wäre kaum eine Besprechung wert, denn der Song ist Pop und will auch gar nix anderes sein. Wer mir allerdings verklickern will, man hätte nicht voll auf die WM 2014 gesetzt und das Ganze wäre alles nur rein zufällig passiert, kann mir auch gleich einen Bären aufbinden (wahrscheinlichste Herleitung ist die von der germanischen Wortwurzel bar, sie stand für tragen, später wusste man nicht mehr, dass bar für Last stehen sollte und deutete es volksetymologisch zu Bär um, was dann jedoch keine klar verständliche Aussage mehr mit sich brachte).
Obwohl es hier hauptsächlich um Texte gehen soll, muss man zur Unterstützung meiner These zunächst die Musik untersuchen. Die augenfällige Nähe zum Coldplay Song Viva la Vida hat hier nämlich Methode. Der Fußball-Bundesligist Hamburger SV spielte von Januar 2009 bis Mai 2010 bei Torerfolgen im eigenen Stadion den Refrain des Stücks als Unterstützung des Torjubels. Seit der Saison 2011/12 wird bei Torerfolgen in Heimspielen von Hannover 96 der gleiche Ausschnitt gespielt. Das Produzententeam folgte also der Formel Viva la Vida = Hit = Fußball = Blaupause. Überhaupt das Produzententeam: Es gibt in der Musikbranche eine Handvoll Leute, die immer hinzugezogen werden, wenn es erfolgreich sein soll. Und wen nimmt man da? Die Leute die schon erfolgreich sind. Deswegen können sich Leute, die Platinplatten an der Wand haben vor Aufträgen gar nicht retten. Bis sie einen Flopp landen. Dann sind sie auch mal schnell weg vom Fenster. Im vorliegenden Fall hält Peter “Jem” Seifert die Fäden in der Hand, der zuletzt mit Ich+Ich und vor allem mit Udo Lindenberg für Furore sorgte aber auch schon für Andreas Bourani einen Echo für das „Beste Produzententeam“ einsacken konnte.
Wer hier immer noch glaubt, dass sich solche Leute mit einem geringeren Anspruch, als DEN WM Hit 2014 zu produzieren, ans Pult setzen, glaubt auch an Einhörner.
Warum übrigens die Sporties in diesem Jahr nicht mitmischen konnten, liegt an einer simplen Tatsache: 54, 74, 90, zweitausendundvierzehn hat eine Silbe zuviel, und ließ sich nicht noch einmal recyceln. Wer will kann gern versuchen, es mal zu singen.

Wer friert uns diesen Moment ein
Besser kann es nicht sein
Denkt an die Tage, die hinter uns liegen
Wie lang wir Freude und Tränen schon teilen
Hier geht jeder für jeden durchs Feuer
Im Regen stehen wir niemals allein
Und solange unsere Herzen uns steuern
Wird das auch immer so sein

Die ersten beiden prophetischen Zeilen, sind die besten im ganzen Song. Besser wird es nicht. Es ist augenfällig, dass es eine Wir-Perspektive gibt, die normalerweise für Beziehungslieder aller Art herhalten muss. Von Zweierbeziehung ist aber im ganzen Lied keine Spur, also kommt nur die Gesellschaft als Ganzes in Frage oder eben unsere Fussballhelden. Geteilte Freude und Tränen, durchs Feuer gehen, im Regen nicht allein stehen, das sind alles leider sehr abgegriffenen Phrasen, die auch durch obligatorische Herzen, die uns steuern, nicht aufregender werden. Das wird auch immer so sein. Traurig auch - und man mag es wieder einmal gar nicht analysieren – wie wenig Reim sich deutsche Popkünstler zutrauen. Ein auf sein, allein auf sein... soll das denn schon alles sein?

Ein Hoch auf das, was vor uns liegt
Dass es das Beste für uns gibt
Ein Hoch auf das, was uns vereint
Auf diese Zeit

Das hier ist das, was in der Produzentensprache ein Pre-Chorus ist. Ein musikalischer Teil vor dem Refrain, der sich schon von der Strophe abhebt und den Weg für einen großen Refrain ebnet, der dann noch mehr aufgeht als der Pre-Chorus. Textlich wird mit „ein Hoch“ schon mal der Refrain zitiert. Aber schauen wir noch einmal zurück: In den ersten beiden Zeilen wurde postuliert, dass es in diesem Moment nicht besser sein kann. Nun sollen wir hoffen, dass es das Beste noch für uns geben soll. Ziemlich inkonsequent.

Ein Hoch auf uns
Auf dieses Leben
Auf den Moment
Der immer bleibt
Ein Hoch auf uns
Auf jetzt und ewig
Auf einen Tag
Unendlichkeit

So, nun aber der richtige Refrain und jetzt wird auch wieder der Moment bemüht, der immer bleibt. Geht es nur mir so, oder spukt der olle Goethe durch den Text: „Zum Augenblicke dürft' ich sagen: / Verweile doch, du bist so schön! / Es kann die Spur von meinen Erdetagen / Nicht in Äonen untergehn. – / Im Vorgefühl von solchem hohen Glück / Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick.“ Tja, das war noch Dichtkunst, da kommt ein Tag Unendlichkeit eher schmalbrüstig daher, denn was bitte ist ein Tag Unendlichkeit? Das gleiche wie ein Lichtstrahl Dunkelheit?

Wir haben Flügel, schwör'n uns ewige Treue
Vergolden uns diesen Tag
Ein Leben lang ohne Reue
Vom ersten Schritt bis ins Grab

Wir kommen auch schon fast zum Ende. Obwohl an dieser Stelle im Song erst 1 Minute 35 Sekunden rum sind, ist textlich alles gesagt und zwar schlecht. Hier wird nur schnell und schlampig was zusammengerührt. Wieso haben wir jetzt Flügel, ja, ist den heut schon Weihnachten? Ewige Treue, Leben ohne Reue, bis ins Grab. Das könnte auch aus einem Soldatenlied sein, aber wenigstens wird gereimt was das Zeug hält.

Ein Hoch auf das, was vor uns liegt usw. usf.

Ein Feuerwerk aus Endorphinen
Ein Feuerwerk zieht durch die Welt
So viele Lichter sind geblieben
Ein Augenblick, der uns unsterblich macht

Dieser C-Part wird von der klassischen Popstruktur diktiert, inhaltlich hatte man anscheinend nichts vorbereitet. Endorphin ist eine Wortkreuzung aus „endogenes Morphin“ mit der Bedeutung‚ ein vom Körper selbst produziertes Opioid. Im allgemeinen also Stoffe, die uns in einen Rausch versetzen, die auf das Nervensystem einwirken. Worauf ich hinaus will, ist, dass Endorphine ein Feuerwerk hervorrufen können, selbst aber kein Feuerwerk sind. Egal, es hört ja eh keiner hin wie ich feststellen musste. Also zieht das Feuerwerk durch die Welt, aber wenigstens die Lichter bleiben. Welche Lichter eigentlich? Nein, ich frage lieber nicht.

Fazit: Ein neuer Grönemeyer ist Andreas noch nicht, auch wenn er im Refrain so schön auf Leben und ewig herumknödelt. Trotzdem Glückwunsch zum nicht ganz zufälligen WM Hit 2014.

Dienstag, 15. Juli 2014

Dota Kehr „Wo soll ich suchen“

Die GEMA-Stiftung vergibt seit 1989 jährlich eine Textdichterauszeichnung, den Fred-Jay-Preis. Fred Jay, eigentlich Friedrich Alex Jacobson (1913-1988), war ein österreichischer Komponist und Textdichter, der seine produktivste Zeit in den wortwörtlich goldenen Schlagerjahren zwischen den frühen 70ern und den frühen 80ern hatte. Er schrieb für Howard Carpendale (87 Titel), Christian Anders (52 Titel), Boney M. (36 Titel) oder Jürgen Marcus (27 Titel) und etliche andere Größen der Branche. Sein größter Hit ist übrigens „When A Child Is Born“, der sich allein in Deutschland in Michael Holms deutscher Fassung „Tränen lügen nicht“ eine Million Mal verkaufte. Die englische Version gilt als Weihnachtsklassiker, ist in 120 Sprachen erschienen und viele Millionen Mal über den Ladentisch gegangen. Da ist der auf 15.000 Euro dotierte und nach ihm benannte Preis eigentlich ziemlich knickerig.

Die Berliner Sängerin, Liedermacherin und Musikproduzentin Dorothea („Dota“) Kehr dürfte sich trotzdem wie Bolle auf dem Milchwagen gefreut haben, denn auf sie fiel in diesem Jahr die Wahl der Jury der GEMA-Stiftung.
Grund genug einmal einen Blick auf ihre Texte zu werfen. Ich habe nicht lange herumgesucht und mich für „Wo soll ich suchen“ entschieden.

Wo soll ich suchen“ ist der Titelsong ihres aktuellen Albums, das elfte übrigens, das die promovierte Ärztin bisher veröffentlichte.

Es regnet auf stehengelassene Tassen und Teller
und ein zweites Schiffchen sticht in See.
Ich sitz auf meinem Steg und werfe Steine,
es regnet auf den Turm und auf den Klee.
Es regnet Funken durch die Kabel
und Menschen durch die Zeit.
Wo soll ich dich suchen?
Wo soll ich dich suchen?

Es ist selten, dass mich ein Text so anspricht, ohne dass ich genau sagen könnte, woran es eigentlich genau liegt. An der Oberfläche ist alles ganz klar und eindeutig. Sie Szenerie ist schnell zu erfassen und plastisch: Das lyrische Ich sitzt auf einem Steg, es regnet. Irgendwo steht ein Turm, es gibt stehengelassene Tassen und Teller, Stromkabel... Vielleicht ging eben eine Gartenparty zu Ende. Unter der Oberfläche aber lauert das Ungesagte, das Fremde, ein Geheimnis. Was hat es zum Beispiel mit dem zweiten Schiffchen auf sich, welches in See sticht? Welches war das Erste? Setzt das lyrische Ich Papierboote ins Wasser? Verlassen die Partygäste mit Kähnen das Ufer? Funken regnen durch Kabel, wie Menschen durch die Zeit? Und wer wird hier eigentlich gesucht?
Ich mag es sehr, wenn einfache Wörter sich zu komplexen Aussagen verdichten. Dorothea Kehr hat ein Händchen dafür. Schön ist auch der zwar unsaubere aber dennoch charmante Binnenreim „stehengelassene Tassen“.

Da wo die feinen Bläschen aufsteigen?
Im Moor, da wo die Irrlichter sind?
Am Himmelsstrand auf meinem Badetuch im warmen Gras?
Wo soll ich dich suchen?

Das ist der Refrain, und der Eindruck, dass hier etwas seltsam düsteres vorgeht, verstärkt sich. Der Landschaft mit See und Turm wird ein Moor hinzugefügt, später wird das Bild noch weiter ausgemalt werden. Nicht weit von dem Ort meiner Kindheit lag der Wald Katharinenholz und in ihm befanden sich die Düstere Teiche. Alles erinnert mich daran. Und dort ihm Moor, wo alles nach Verwesung riecht und die Vergänglichkeit zu Hause ist, dort soll das lyrische Ich suchen? Da, wo die Irrlichter sind, die das lyrische Ich in die Irre führen und in den Tod ziehen könnten? Oder lieber am Himmelsstrand? Ich habe kein Bild für Himmelsstrand parat. Blauer Himmel plus Strand und Sonne gleich Himmelsstrand? Ein Badetuch im warmen Gras? Das Paradies? Eine schöne Erinnerung? Ein Geheimnis.

Und klar, wenn ich allein bin, schließ ich die Tür ab.
Und ja, wenn ich Fahrrad fahre, fahr ich mit Licht.
Ich vermisse ein paar Dinge, doch dafür hab
ich andere gefunden. Also, sorge dich nicht.
Und bei Gewitter geh ich nicht baden.
Und bei Sturm schwimm ich nicht zu weit raus.
Und meide die Eichen und finde
den anderen unter den Gleichen.
Wo soll ich dich suchen?
Wo soll ich dich suchen?

Die zweite Strophe ist ähnlich strukturiert wie die erste. Handwerklich toll ist der Kreuzreim der ersten vier Zeilen und das Enjambement (der Verssprung) von Zeile drei auf Zeile vier.
Inhaltlich versichert das lyrische Ich, dass es ganz normale alltägliche Dinge so machen wird, wie es das gelernt hat. So als würde man z.B. der Mutter sagen, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Aber wer ist der Andere unter den Gleichen? Der Text kreist um verschiedene Deutungsmöglichkeiten. Geht es um Verlust durch Tod, geht es um die Suche nach der großen Liebe? Oder ist das alles nur Teil einen Ornamentes, welches wir nicht sehen können, weil wir zu nah sind?

Da wo die feinen Bläschen aufsteigen?
Im Moor, da wo die Irrlichter sind?
Da wo die Weiden sich übers Wasser neigen,
und in den Wellentälern bei Wind?
Da wo der Wald am allertiefsten ist am Steilhang?
Da wo die Vögel plötzlich aufgeflogen sind?
Am Himmelsstrand auf meinem Badetuch im warmen Gras?
Wo soll ich dich suchen?

Es kommt der zweite Refrain und wer dachte, das Pulver wäre verschossen, irrte. Die Verse sind pure Poesie, eindringlich schön, einfach und handwerklich gelungen. Sauberer Kreuzreim der ersten vier Zeilen plus Binnenreim (Weiden, die sich übers Wasser neigen). Der Szenerie werden Wind, ein tiefer Wald, ein Steilhang und auffliegende Vögel hinzugefügt. Man wähnt sich in einem Gemälde von Caspar David Friedrich, aber alles ist auch Symbolik und noch immer Geheimnis.

Und von meinem Turm aus seh ich die Welt an.
Es regnet Tränen durchs Gesicht.
Unter vielfarbigen Wolkenstreifen
geh ich aus dem Haus
und bin draußen, als der Himmel aufbricht.
Wo soll ich suchen?
Wo soll ich dich suchen?

„Von meinem Turm seh ich die Welt an“. Plötzlich wird der Turm aus der Landschaft genommen und es wird der Turm des lyrischen Ichs. Der Turm ist in der Symbolik ein kraftvolles aber auch vielschichtiges Bild. Zum Himmel aufragend ist er ein Wegweiser, eine Verbindung zur oberen Welt. Der Turmbau zu Babel ist ein Symbol für den Hochmut und die Maßlosigkeit der Menschen. Der Elfenbeinturm ist die Metapher eines geistigen Ortes der Abgeschiedenheit und Unberührtheit von der Welt. Aber auch die verwunschene Prinzessin, die gesucht und gefunden werden will, harrt aus auf dem Turm und wartet auf Rettung.
Im Verlauf der Strophe wird es für meinen Geschmack kurz etwas zu dick, denn Tränen, die durch das Gesicht regnen, hätte ich hier nicht mehr gebraucht, aber irgendwie geht das in Ordnung, genauso wie der aufbrechende Himmel, der uns einen Hauch Zuversicht vermittelt.

Fazit: Großes Kopfkino, erzeugt mit einfachen Worten, handwerklich gut und dabei originell. Tränen, die durchs Gesicht regnen, lügen nicht.


Donnerstag, 3. Juli 2014

Tim Bendzko feat. Cassandra Steen „Unter die Haut“

Tim Bendzko hatte mit „Nur noch kurz die Welt retten“ 2011 einen Riesenhit. Und womit? Mit Recht. Der freche kleine Ohrwurm hatte nicht nur musikalische Qualitäten, auch der Text traf auf originelle Art den Nerv der Zeit.
Obwohl sein zweites Album „Am seidenen Faden“ inzwischen mit Platin veredelt wurde, konnte Tim nicht ganz an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen. Im letzten Dezember wurde die Langrille dann mit ganzen 12 weiteren Liedern aufgehübscht und als Limited Re-Edition erneut veröffentlicht. Wahnsinn, was Leuten bei Plattenfirmen so alles einfällt. Nun fragt man sich, warum man bei 12 neuen Songs nicht gleich ein neues Album veröffentlicht. Womit fragt man das? Mit Recht. Die vorliegende Single „Unter die Haut“ deutet die Lösung des Rätsels an: Das Material war wohl nicht so dolle. Auch diesmal habe ich in der Datenbank der GEMA nachgesehen und siehe da: Musik und Text sind nicht fremdgemacht sondern selbst eingebrockt. Und wie immer, wenn in der aktuellen Medienwelt die Karriere ein Duett braucht und ungemein viel Quatsch gesungen wird, ist meine besondere Freundin Cassandra Steen zur Stelle, die offenbar einen schlechten Einfluss auf die Gehirne deutscher Singer-Songwriter hat.

Das geht mir unter die Haut,
wie ein warmer Sommerwind,
ich habe es erst nicht geglaubt,
dass ich hier nicht alleine bin.

Es gibt über 100 verschieden deutschsprachige Titel, die uns unter die Haut gehen sollen. Auch Stefanie Hertel hat zum Beispiel einen geschrieben. Diese oft benutzte Wortkombination wird immer gerne genommen, wenn ein besonders intensives Gefühl beschrieben werden soll. Alternativ wird zur Abwechslung auch „das hat mich sehr berührt“ verwendet.
Nun haben wir am Anfang der zweiten Zeile das schöne Wörtchen „wie“ und damit ein Vergleichswort. Per Definition: Wenn zwei Personen oder Sachen in einem Vergleich gleich sind, verwendet man den Positiv und die Vergleichswörter „so“ oder „wie“, die man mit „genau“ betonen kann.
Demnach ist also das besungene Gefühl genau wie warmer Sommerwind. Wäre ich kleinlich, würde ich fragen, ob man den warmen Sommerwind nicht auf, statt unter der Haut spürt. Erzeugt warmer Sommerwind wirklich ein so intensives Gefühl, dass man es mit der Einsicht, dass es die große Liebe doch da draußen gibt, gleichsetzen kann? Für meinen Geschmack ist das lasch und fade oder eben Pop.
Gäbe es in den beiden letzten Zeilen des Refrains nicht das Adverb „erst“ würde das gesamte Lied kollabieren und aus den Fugen geraten. Man muss schon sehr aufmerksam sein und seine ganzen interpretatorischen Fähigkeiten aufwenden, um zu verstehen, dass das lyrische Ich zunächst geglaubt hat, dass es alleine ist und als es merkte, dass es nicht alleine ist, dies zunächst nicht glauben konnte, bis es endlich dann doch geglaubt hat, dass es nicht alleine ist.

Im Grunde waren wir doch schon auf Einsamkeit trainiert
und haben jeden Wink mit dem Zaunpfahl ignoriert,
wir schotten um uns all die leeren Hüllen
und die leeren Hüllen versperrten uns
die Sicht auf ein Leben, das wir einst erstrebten,
doch wir halten daran fest.

Im Vortrag des Sängers gibt es eine deutliche Pause zwischen „Wink“ und „mit dem Zaunpfahl“. Macht Euch bitte mal die Freude und fragt: „Womit haben sie den Wink ignoriert?“ Antwort: „Mit dem Zaunpfahl.“ Natürlich ist das so nicht gemeint, aber unfreiwillig komisch kann so eine stehende Redewendung durchaus sein.
Ich muss noch einmal zum großen Ganzen zurück: Das Überthema ist doch „Liebe“. Eigentlich war man immer einsam und dann, upps, kommt die große Liebe um die Ecke, man freut sich wie warmer Sommerwind, blickt zurück und denkt sich: „Oh man, was war ich doch blind und unzuversichtlich, da hab ich doch die ganzen Winke mit den Zaunpfählen übersehen.“ Wer oder was hat denn da gewinkt und welche Botschaften sollten dabei übermittelt werden? Das frage ich mich. Und womit?

Zeile drei in dieser Strophe ist mir die liebste von allen! Wir schotten um uns leere Hüllen. Herrlich. Schotten sind noch immer Highlander unter englischer Krone, es kann sich also nur um eine Ableitung des schönen Wortes „abschotten“ handeln, welches aus dem Schiffbau stammt, wo etwas mit einem Schott versehen, also dicht gemacht wird. Das Verb „schotten“ gibt es nicht. In einer Kombination, in der man leere Hüllen um sich schottet ist es einfach nur peinlich. Überhaupt: Diese leeren Hüllen... Das ist doch wieder so ein aufgeblasenes, esoterisches Psychogequake ohne jeden Inhalt! Und es wird immer schlimmer, denn diese leeren Hüllen, von denen wir nicht wissen wovon sie eigentlich leer sind, versperren dem lyrischen Doppelich die Sicht auf ein Leben, das sie einst erstrebten, doch sie halten daran fest – an diesem Leben. Dafür sollte es die rote Karte geben oder wenigstens einen Abzug bei der GEMA Ausschüttung, welcher dann in eine Stiftung zur Bekämpfung von Legasthenie fliessen könnte.

Das geht mir unter die Haut,
wie ein warmer Sommerwind,
ich habe es erst nicht geglaubt,
dass ich hier nicht alleine bin.
Das geht mir unter die Haut,
dass wir verbunden sind,
es zieht mich immer weiter gerade aus,
bis ich zu Hause bin.

Erneuter Refrain, verlängert und mit der Information versehen, dass es den Protagonisten immer weiter gerade aus zieht, bis er zu Hause ist. Nach dem ganzen Unsinn mit den Schotten und den Hüllen ist das erfrischend wissenschaftlich, denn jedes Kind weiß, dass die Erde rund ist und wir wieder zu Haus ankommen, wenn wir nur lange genug gerade aus laufen. Für die aufkeimende Beziehung mit der großen Liebe, an die man eben noch gar nicht glaubte, ist das sicherlich eine Belastungsprobe, denn da ist man eine Weile unterwegs. Ob unsere Protagonisten dieses Problem lösen werden? Schauen wir weiter.

Denn alles was wir sind
gibt leeren Worten ihren Sinn,
ganz egal wie es klingt,
weil du auch ohne Worte unsere Lieder singst.

Danke für diese Worte. Endlich ergibt hier alles einen Sinn, denn auch wenn wir in diesem Lied nur leere Worte finden und ganz egal wie banal sie klingen: Auch ohne Worte, zum Beispiel auf La-la-la gesungen, wäre es noch ein erfolgreiches Duett und genauso inhaltsreich. Und weil die Interpreten sind, was sie sind, nämlich Popstars, müssen sie immer weiter singen, allein, in Duetten und im Chor, komme was da wolle. Nie zuvor wurde in einem gefühligen, selbstgedichteten deutschen Lied so offen und schonungslos über die eigene Belanglosigkeit gesungen. Respekt.

Fühlst du es auch? Lass alles stehen wo es ist
und wir reißen aus,
das ist alles was ich brauch.
Wenn ich in Sicherheit bin dann fühlst du es bestimmt.

Aha. Die Reise um die Welt, auf der man immer gerade aus unterwegs ist, soll also gemeinsam gelingen und zwar, indem man gemeinsam ausreißt, nicht zu verwechseln mit ausreisen, denn dann würde man ja nicht wieder kommen und Deutschland hätte den Verlust von gleich zwei Interpreten zu verkraften. Interessant, dass nur alles was stehen kann dort bleiben darf wo ist ist, alles was liegen kann müsste demnach mitgenommen werden.
Der Vers endet mit einer seltsamen Aussage. Woher will das eine lyrische Ich wissen, dass das andere lyrische Ich fühlen wird, wenn es in Sicherheit ist? Und in Sicherheit wovor? Zombofanten, die Zeugen Jehovas, Kritiker die solche Texte wörtlich nehmen? Womit frage ich das wohl?

Fazit: Texte dieses Kalibers gehen mir nicht unter die Haut, sondern auf den Sack.