Freitag, 15. August 2014

Andreas Bourani „Auf uns“



Irgendwie kommt man in diesem Sommer um „Auf uns“ nicht herum. Ich habe mal ein paar Feldtests gemacht und Leute befragt, was sie mir von dem Song vorsingen können. Jeder kannte das Lied, keiner kannte auch nur eine einzige Strophenzeile. Beim Refrain kamen die meisten bis „ein Hoch auf uns“ und sangen dann weiter: „auf das was bleibt“. Singt er aber nicht.
Ich habe nichts gegen Andreas, er wirkt sehr bodenständig und ist in den letzten Jahren sehr fleißig gewesen. Auch die neue Frisur ist toll. Der Text allein wäre kaum eine Besprechung wert, denn der Song ist Pop und will auch gar nix anderes sein. Wer mir allerdings verklickern will, man hätte nicht voll auf die WM 2014 gesetzt und das Ganze wäre alles nur rein zufällig passiert, kann mir auch gleich einen Bären aufbinden (wahrscheinlichste Herleitung ist die von der germanischen Wortwurzel bar, sie stand für tragen, später wusste man nicht mehr, dass bar für Last stehen sollte und deutete es volksetymologisch zu Bär um, was dann jedoch keine klar verständliche Aussage mehr mit sich brachte).
Obwohl es hier hauptsächlich um Texte gehen soll, muss man zur Unterstützung meiner These zunächst die Musik untersuchen. Die augenfällige Nähe zum Coldplay Song Viva la Vida hat hier nämlich Methode. Der Fußball-Bundesligist Hamburger SV spielte von Januar 2009 bis Mai 2010 bei Torerfolgen im eigenen Stadion den Refrain des Stücks als Unterstützung des Torjubels. Seit der Saison 2011/12 wird bei Torerfolgen in Heimspielen von Hannover 96 der gleiche Ausschnitt gespielt. Das Produzententeam folgte also der Formel Viva la Vida = Hit = Fußball = Blaupause. Überhaupt das Produzententeam: Es gibt in der Musikbranche eine Handvoll Leute, die immer hinzugezogen werden, wenn es erfolgreich sein soll. Und wen nimmt man da? Die Leute die schon erfolgreich sind. Deswegen können sich Leute, die Platinplatten an der Wand haben vor Aufträgen gar nicht retten. Bis sie einen Flopp landen. Dann sind sie auch mal schnell weg vom Fenster. Im vorliegenden Fall hält Peter “Jem” Seifert die Fäden in der Hand, der zuletzt mit Ich+Ich und vor allem mit Udo Lindenberg für Furore sorgte aber auch schon für Andreas Bourani einen Echo für das „Beste Produzententeam“ einsacken konnte.
Wer hier immer noch glaubt, dass sich solche Leute mit einem geringeren Anspruch, als DEN WM Hit 2014 zu produzieren, ans Pult setzen, glaubt auch an Einhörner.
Warum übrigens die Sporties in diesem Jahr nicht mitmischen konnten, liegt an einer simplen Tatsache: 54, 74, 90, zweitausendundvierzehn hat eine Silbe zuviel, und ließ sich nicht noch einmal recyceln. Wer will kann gern versuchen, es mal zu singen.

Wer friert uns diesen Moment ein
Besser kann es nicht sein
Denkt an die Tage, die hinter uns liegen
Wie lang wir Freude und Tränen schon teilen
Hier geht jeder für jeden durchs Feuer
Im Regen stehen wir niemals allein
Und solange unsere Herzen uns steuern
Wird das auch immer so sein

Die ersten beiden prophetischen Zeilen, sind die besten im ganzen Song. Besser wird es nicht. Es ist augenfällig, dass es eine Wir-Perspektive gibt, die normalerweise für Beziehungslieder aller Art herhalten muss. Von Zweierbeziehung ist aber im ganzen Lied keine Spur, also kommt nur die Gesellschaft als Ganzes in Frage oder eben unsere Fussballhelden. Geteilte Freude und Tränen, durchs Feuer gehen, im Regen nicht allein stehen, das sind alles leider sehr abgegriffenen Phrasen, die auch durch obligatorische Herzen, die uns steuern, nicht aufregender werden. Das wird auch immer so sein. Traurig auch - und man mag es wieder einmal gar nicht analysieren – wie wenig Reim sich deutsche Popkünstler zutrauen. Ein auf sein, allein auf sein... soll das denn schon alles sein?

Ein Hoch auf das, was vor uns liegt
Dass es das Beste für uns gibt
Ein Hoch auf das, was uns vereint
Auf diese Zeit

Das hier ist das, was in der Produzentensprache ein Pre-Chorus ist. Ein musikalischer Teil vor dem Refrain, der sich schon von der Strophe abhebt und den Weg für einen großen Refrain ebnet, der dann noch mehr aufgeht als der Pre-Chorus. Textlich wird mit „ein Hoch“ schon mal der Refrain zitiert. Aber schauen wir noch einmal zurück: In den ersten beiden Zeilen wurde postuliert, dass es in diesem Moment nicht besser sein kann. Nun sollen wir hoffen, dass es das Beste noch für uns geben soll. Ziemlich inkonsequent.

Ein Hoch auf uns
Auf dieses Leben
Auf den Moment
Der immer bleibt
Ein Hoch auf uns
Auf jetzt und ewig
Auf einen Tag
Unendlichkeit

So, nun aber der richtige Refrain und jetzt wird auch wieder der Moment bemüht, der immer bleibt. Geht es nur mir so, oder spukt der olle Goethe durch den Text: „Zum Augenblicke dürft' ich sagen: / Verweile doch, du bist so schön! / Es kann die Spur von meinen Erdetagen / Nicht in Äonen untergehn. – / Im Vorgefühl von solchem hohen Glück / Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick.“ Tja, das war noch Dichtkunst, da kommt ein Tag Unendlichkeit eher schmalbrüstig daher, denn was bitte ist ein Tag Unendlichkeit? Das gleiche wie ein Lichtstrahl Dunkelheit?

Wir haben Flügel, schwör'n uns ewige Treue
Vergolden uns diesen Tag
Ein Leben lang ohne Reue
Vom ersten Schritt bis ins Grab

Wir kommen auch schon fast zum Ende. Obwohl an dieser Stelle im Song erst 1 Minute 35 Sekunden rum sind, ist textlich alles gesagt und zwar schlecht. Hier wird nur schnell und schlampig was zusammengerührt. Wieso haben wir jetzt Flügel, ja, ist den heut schon Weihnachten? Ewige Treue, Leben ohne Reue, bis ins Grab. Das könnte auch aus einem Soldatenlied sein, aber wenigstens wird gereimt was das Zeug hält.

Ein Hoch auf das, was vor uns liegt usw. usf.

Ein Feuerwerk aus Endorphinen
Ein Feuerwerk zieht durch die Welt
So viele Lichter sind geblieben
Ein Augenblick, der uns unsterblich macht

Dieser C-Part wird von der klassischen Popstruktur diktiert, inhaltlich hatte man anscheinend nichts vorbereitet. Endorphin ist eine Wortkreuzung aus „endogenes Morphin“ mit der Bedeutung‚ ein vom Körper selbst produziertes Opioid. Im allgemeinen also Stoffe, die uns in einen Rausch versetzen, die auf das Nervensystem einwirken. Worauf ich hinaus will, ist, dass Endorphine ein Feuerwerk hervorrufen können, selbst aber kein Feuerwerk sind. Egal, es hört ja eh keiner hin wie ich feststellen musste. Also zieht das Feuerwerk durch die Welt, aber wenigstens die Lichter bleiben. Welche Lichter eigentlich? Nein, ich frage lieber nicht.

Fazit: Ein neuer Grönemeyer ist Andreas noch nicht, auch wenn er im Refrain so schön auf Leben und ewig herumknödelt. Trotzdem Glückwunsch zum nicht ganz zufälligen WM Hit 2014.

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