Ich nehme mir die Zeit
Auf die Dächer der Stadt zu gehen
Dem Leben zuzusehen
Still zu stehen
Ich stelle mir das ganz bildlich vor:
Bernd Heinrich Graf, müde vom dichten, nimmt sich etwas von seiner
kostbaren Zeit und steigt auf das Dach seines Hauses, um dem Leben zuzusehen. Man
beachte, dass es hier pauschal das Leben ist, das betrachtet
wird, in all seinen Fassetten, Tier und Pflanzenwelt ebenso inklusive
wie geopolitische Konflikte.
Alles wirkt so klein
Unscheinbar, entfernt und weit
Das Leben pulsiert hier
Weit weg von mir
Ich lehne mich zurück
Und genieße dieses Glück
Binsenweisheit erleuchte uns! Der Mann
steht auf dem Dach und unten ist alles klein. Und weil ein weißer
Schimmel kein kleiner Zwerg ist, wird uns das Wort „klein“ noch
erklärt: „unscheinbar, entfernt und weit“. Ein wandelndes
Synonymlexikon ist er, der Herr Graf. Für die ganz Dummen, erklärt
er dann noch, dass das Leben von da oben auf dem Dach aus betrachtet,
weit weg von ihm pulsiert. Wir haben es jetzt verstanden. Fast
wünschte man sich, dass das lyrische Ich beim Zurücklehnen in die
Tiefe stürzen würde, dann wäre der Song hier zu Ende.
Ich nehme mir die Zeit
Auf die Lichter der Stadt zu sehen
Die Dächer entlang zu gehen
Und still zu stehen
Das kommt uns jetzt aber bekannt vor...
das sind doch die ersten vier Zeilen noch mal, nur anders. Was man
dem Texter sicher nicht vorwerfen kann, ist sprunghafter,
zusammenhangloser Wechsel zwischen lyrischen Bildern. Der Mann steht,
äh, geht auf dem Dach – basta.
Hier fühle ich mich frei
Der Horizont ist grenzenlos und weit
Die Großstadt unter mir wie ein
Lichtermeer
Da hat der Graf in der lyrischen
Abschreibschule nicht richtig aufgepasst: Das Klischee hätte
eindeutig „der Himmel ist grenzenlos und weit“ lauten
müssen, denn der Horizont ist per Definition eine Grenze, nämlich
die, zwischen der sichtbaren Erde und dem Himmel, daran ändert auch
sein Salbadern nichts.
Es gibt so viele Fragen
Tausend Wünsche und Gedanken
Ich bin mit mir allein
Und schenk den Träumen Zeit
Inzwischen wird es echt schwer, die
Augen offen zu halten. Vor lauter Langeweile und müde von den vielen
Phrasen möchte man sich selbst vom Dach stürzen.
Ich ordne meine Welt
Der Alltag fliegt an mir vorbei
Fernab der Jagd des Lebens
Fühle ich mich frei
Ich lehne mich zurück
Und genieße dieses Glück
Herrje, das lyrische Ich ordnet seine
Welt, während der Alltag vorbei fliegt. Da wird uns das Herz warm
und der Mund trocken und wir schauen nach oben, winken dem Grafen auf
dem Dach und stürzen uns wieder in die Jagd des Lebens.
Der Rest des Textes besteht aus Worten,
die alle schon vorher auftauchten, geringfügig anders kombiniert.
Ich habe mir mal den Spaß gemacht, alle Dopplungen der 154 Worte des
Textes (ohne Refrainwiederholungen) zu streichen. Es bleiben dann
noch zwei Drittel, rund hundert Worte, übrig.
Fazit: Deutschland bekommt die Stars
die es verdient, die passenden Texte inklusive.
Also besser hättest du es nicht treffen können Bodenski. Hast mir den Tag damit wesentlich verschönert. Vielen Dank dafür. An dieser Stelle möchte ich dich eben noch in eigener Sache auf meinen Bericht zum aktuellen Mitgift-Release verweisen. Schau doch mal auf meinem Blog vorbei wenn du Muse hast. Lg.
AntwortenLöschenPhil
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AntwortenLöschen"Der Horizont ist grenzenlos und weit"
AntwortenLöschenAn dem Teil bin ich beim Hören auch jedesmal hängen geblieben!!!!!
Du sprichst mir hier wirklich aus der Seele!!! ;)
Will sagen, dass das so ziemlich genau meine Gedanken zu dem Lied sind, nur dass ich sie nicht so treffend auszudrücken vermochte...:)
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenAuf Facebook habe ich diesen Blog von dir entdeckt. Ich war etwas schockiert muss ich zu geben, weil ich die Lieder des Grafen bis her nicht schlecht fand. Auch wenn ich zu gebe das mir die ersten Alben besser gefallen haben. Da könnte man jetzt diskutieren in wie weit die Qualität von Produkten im Zusammenhang mit Erfolg stehen. Vielleicht sollte das wirklich mal getan werden, denn jeder Künstler bekommt das vorgeworfen und ein neues denken in der Hinsicht sowohl von Fans als auch von Künstlern könnte dienlich sein. Gleichzeitig war ich aber fasziniert von deiner Sicht auf den Text, denn so habe ich noch nicht über den Text nach gedacht. Dafür danke ich.
AntwortenLöschenDie Frage die mir aus dieser Kritik aber am meisten im Kopf rum geistert lautet wie wird tiefe lyrisch erzeugt? Die Aussage jemand habe dem Grafen vorgeworfen tiefe nur vorzutäuschen, brachte mich auf diese Frage. Ich bin Freund tiefgründiger Texte. Ich habe bis her angenommen das es jener Grund ist warum ich Bands wie Subway To Sally und auch Unheilig unter vielen anderen Bands gern höre. Diese Aussage von dir bringt mich aber dazu mein Weltbild von tiefgründigkeit auf den Kopf zu stellen. Das ist gut denn Selbstverständlichkeiten neu zu über denken und neu zu definieren bringt Fortschritt. Ich werde deine Kritik weiter verfolgen und auch andere Quellen zu rate ziehen. Vielleicht finde ich die Antwort....
Genaugenommen ist ein Horizont ein Kreis.
AntwortenLöschenUnd der darf zumindest auch weit sein.
Ansonsten sehr treffend.