Donnerstag, 6. August 2015

Matteo Capreoli „Das Beste“

Neulich beim Frühstücksfernsehen: Kurz vor 9 Uhr, also kurz vor Schluss der Sendung, gibt es immer ein bisschen Musik. Die gibt es deswegen am Ende, weil viele Menschen bei Musik im Fernsehen wegschalten und am Ende des Morgenmagazins im ZDF tut das den öffentlich rechtlichen Programmmachern nicht mehr so weh. Dadurch wurde an diesem Morgen möglicherweise viel Geschirr gerettet, denn diesmal wurde ein gewisser Matteo Capreoli vorgestellt, der just an diesem Tag seine neue Single vorstellen durfte. Ihr kennt Matteo Capreoli nicht? Ich bete zu Gott, das wir uns seinen Namen nicht merken müssen und im Grund genommen wäre ihn zu ignorieren der richtige Weg, aber ich kann nicht anders.

Auf seinem Twitter account finden wir folgende vollmundige Kurzbeschreibung: Matteo Capreoli, der etwas andere Lockenkopf aus Stuttgart. Der multitalentierte Songwriter ist Vollblut-Musiker im wahrsten Sinne des Wortes...“ Im wahrsten Sinne des Wortes? Warum wird so ein Klischee auch noch unterstrichen? Hat er sich extra voll Blut bekleckert, um sein Talent herauszustreichen? Bei seinem Auftritt im ZDF jedenfalls fiel mir die Kinnlade herunter und das Müsli aus dem Mund. Den Text von „Das Beste“ jedenfalls hatte noch niemand ins Netz gestellt, so dass ich gezwungen war seine Darbietung zu transkribieren (was allein schon eine Strafe war).

Hab mich noch lange nicht, noch lange nicht erreicht
erreiche jeden Tag ein neues Ziel
und stell dann fest, dass es, dass es noch lang nicht reicht
weil ich noch viel, noch viel, viel weiter will

Dieses „ich hab mich noch nicht erreicht“ kommt aus der Schublade „ich bin auf der Suche nach mir, hab mich verloren, muss mich finden“. Ich prangere es gern wieder und wieder an: Es ist öde sich hinzustellen und zu behaupten, dass man nicht wisse, wer man sei, oder wo man hinwolle. Die wage Aussage, dass man trotzdem jeden Tag ein neues Ziel erreicht, ist genauso belanglos wie die Feststellung, dass es am Abend dunkel wird oder Zitronenfalter keine Zitronen falten.

ich will mehr aus mir hol'n
ich will mehr von mir seh'n
und ich will dir noch mehr von mir erzähl'n

Wenden wir doch noch einmal die Im-wahrsten-Sinne-des-Wortes-Technik an und stellen uns vor, wie Matteo, der etwas andere Lockenkopf, unappetitliche Dinge aus sich herausholt und sie sich anschaut. Muss das sein? Nein.
Ganz nebenbei wird an dieser Stelle neben dem lyrischen Ich ein Adressat eingeführt, ein nicht näher bezeichnetes du. Der Sänger besingt also nicht seine Selbstfindungsreise, nein, es ist nur ein Liebeslied. Auch das noch.

ich such nach meinen Grenzen und zwing sie in die Knie
bis ich am Boden lieg und nichts mehr geht

Oh jeh. Wie zwingt man denn Grenzen in die Knie? Ich habe noch keine Grenzen gesehen, die welche hätten. Und wenn man schon etwas schafft, was noch keiner geschafft hat, warum ist es dann kein heroischer Sieg? Warum liegt man dann am Boden? Macht sich der multitalentierte Songwriter aus Stuttgart überhaupt Gedanken darüber was er singt?

denn du kennst noch lang nicht das Beste in mir
doch du hast nur das Beste verdient
also werd ich mein Bestes tun
und hole das Beste aus mir

„Nein, hole bitte nicht das Beste aus dir!“ möchte man dem jungen Mann zurufen und hofft erneut, dass er das nicht wahrsten Sinne des Wortes meint.

da geht noch so viel mehr
da geht noch so viel mehr
will nicht der Beste sein
nur das Beste für dich

Allen die bis hier durchgehalten haben verspreche ich: Da geht noch mehr, allerdings wird es nichts Gutes sein und schon gar nicht das Beste.

für dich zieh ich in 'n Kampf
verprügel' mich im Dreck
wenn's sein muss bin ich Forrest Gump
und laufe um die ganze Welt

Das war der Moment, in dem mir die Kaffeetasse aus der Hand fiel und auf meinem Küchenboden zerschellte. Autoaggression ist eine ernste Sache, je früher mit der Therapie begonnen wird, desto größer sind die Chancen einer Heilung.
Bei circa 40 Kilometern am Tag ist man, wenn man die Ideallinie läuft, übrigens drei ganze Jahre unterwegs, wenn man die Welt umrunden möchte. Das sollte man sich gut überlegen, denn in dieser Zeit springen vielleicht die Fans ab und laufen zu Mark Forster über.

ich geb mich nicht zufrieden
man, wer weiß wie viel noch in mir steckt
ich werd's herausfinden
ey, siehts du wie mein Feuer brennt

In dem Kampf ziehen, um die Welt laufen, wie Feuer brennen, die Klischees klappern mal wieder, wie die Mühlen am rauschenden Bach.

ich schrei so laut, dass sogar Wölfe verstumm'n
erst schenk ich dir den Mond
und dann das ganze Universum

Dafür gibt es stehende Ovation von mir. Universum auf ein genuscheltes verstumm'n zu reimen, bringt ihn definitiv in die Hall Of Fame der besten Reimideen, was sich in der Welt von Matteo Capreoli wahrscheinlich auch reimt.
Um Wölfe zum verstummen zu bringen lade ich ihn gern einmal nach Brandenburg ein, wir haben hier nämlich welche, in Hamburg, wo der Erfinder dieser Zeilen zurzeit residiert, gibt es nicht einmal welche im Tierpark Hagenbeck. Und weil es so schön ist, lege ich noch ein paar Minions drauf, die dem lyrischen Ich helfen den Mond mit einem Schrumpfstrahler zu verkleinern.

ich werd so oft am Boden liegen, doch ich steh wieder auf
will nicht der Beste sein
nur das Beste für dich usw. usf.

Fazit: Matteo, sicher bist du ein netter Mensch, vielleicht hast du ja auch Talent, aber nimm bitte die Hilfe von Leuten an, die Erfahrung mit dem Schreiben haben und die über deine Texte schauen, bevor du sie für die Ewigkeit digitalisierst. Es lohnt sich!

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