Freitag, 17. Juli 2015

Adel Tawil „Lieder 2“

Ist die Welt nicht schön? Ja, sie ist nicht schön. Gerade als man dachte, man hätte ein wenig Ruhe vor seinen besonderen Freunden, gerade als man die trügerische Hoffnung nährte, es könnte nun eine lange, lange Pause geben, in der der Ausnahmekünstler Adel Tawil sich auf seine Wurzeln besinnen und neues Material erarbeiten würde, da springt er uns doch glatt aus dem TV auf gedeckten Abendbrottisch und verkündet stolz ein unerhört spannendes Projekt. Im Werbedeutsch liest sich das so:

Wie würde wohl ein Song klingen, der aus den Lieblingsliedern Tausender Menschen besteht? Der Komponist Adel Tawil hat sich dieser Frage angenommen und sucht im Internet nach den Favoriten der Deutschen. Aus diesen soll dann ein einzigartiger Hitmix entstehen.

Mal ganz abgesehen davon, dass ich denke, das „tausender“ in diesem Fall klein geschrieben wird, wirft diese Aktion vor allem eine Frage auf: „Hä?“
Also mal genauer hingeschaut und, aha, die Telekom steckt dahinter, man soll seine Lieblingslieder hochladen oder gleich über Spotify gehen. Das Ganze also eine ausgeklügelte, werberelevante Recyclingshow einer gar nicht mal so originellen Idee, aus Textversatzstücken einen Song zu machen. Was bei Adel Tawil und seiner Top-Lebens-Playlist einmal funktioniert hat, soll nun mit tausenden Deutschen auch funktionieren. Ich zitiere erneut:

Mit „Lieder 2“, so lautet der Titel des geplanten Songs, möchte der Deutsch-Tunesier schließlich scheinbar unvereinbare Genres und Emotionen in einem Lied zusammenbringen und aus den Top100 der geklickten Titel „ein Lied erschaffen, das uns alle berührt. Ich sehe darin eine sehr große Herausforderung für mich als Künstler. Es ist keine einfache Aufgabe. Aber gerade das reizt mich.“

Und weil diese Aufgabe vielleicht zu schwer für einen einzelnen Menschen ist (auch wenn es sich um einen Ausnahmekünstler handelt), biete ich hier und jetzt meine Hilfe an. Das Schöne an Statistik ist, dass alle Ecken und Kanten abgeschliffen werden und wir am Ende, sowieso die gleiche Top-Hundert-Liste bekommen, die Jahr für Jahr von allen Formatradiostationen gesendet wird. Wozu also abstimmen, wenn das Ergebnis längst feststeht?
Ich war also so frei, mich bei der Top-Hundert-Liste deutscher Lieder zu bedienen. Sollten englischsprachige Lieder einbezogen werden, dann investiere ich gern noch einmal eine halbe Stunde, denn länger dauert so ein Murks nicht.

Hier also, Tadaa!, die Weltpremiere von Lieder 2:

Lili Marleen kam aus Bochum
und nicht aus 'nem Haus am See,
war nie in New York gewesen
und sang nie Aloha He.
Sie ging über sieben Brücken,
fort ins Abenteuerland,
trank zehn kleine Jägermeister,
hatte Heimweh und war blank,
wollte nur ein bisschen Frieden,
auf der Reeperbahn halb eins,
traf sie aus Tirol den Anton,
der war auf dem Weg nach Mainz.
Dieser sprach zu ihr: “Ti amo,
ich will nur ein bisschen Spaß,
Marmor, Stein und Eisen brechen,
doch auf mich, da ist Verlass!“
In 'nem Sperrbezirk in Hamburg
kam es später zum Skandal,
Luftballons sind aufgestiegen,
99 an der Zahl.
„Rock me, rock me Amadeus!“,
schrie die Lili in die Nacht,
ganz Paris träumt von der Liebe,
wenn das Bett im Kornfeld kracht.
Wunder gibt es immer wieder,
doch für Lili gab es keins,
blau blüht auf der Alm der Enzian
und ihr Anton ging nach Mainz.
Nie ist er zurück gekommen,
nie gab es ein Wiederseh'n.
54, 74,
90 und 2010,
all die Jahre sind verronnen,
Lili träumt von Westerland,
doch sie ist jenseits von Eden,
will 'nen Cowboy nun als Mann.

Und der Adel sing uns Lieder,
wirft kein Geld ins Phrasenschwein,
macht die Beine breit für alle,
steckt sich fleißig Kohle ein,
die Sponsoren stehen Schlange,
schütteln fleißig ihm die Hand,
doch sie ahnen nichts von Lili,
wie sie träumt von Westerland.

Fazit: Was schwer aussieht muss nicht schwer sein, ich erkläre das Projekt „Unsere Lieder werden EINS“ hiermit für beendet!





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen