Montag, 12. Mai 2014

Blumfeld „Wellen Der Liebe“




Als ich letzte Woche in den Niederungen der Hamburger Schule recherchierte, stolperte ich über den hier annoncierten Text. „Wellen der Liebe“ stammt vom 2001 erschienenen Album „Testament der Angst“. Rufen wir uns zunächst ins Gedächtnis, dass sich die Hamburger Schule vor allem durch deutschsprachige Texte auszeichnet, „denen oft ein hoher intellektueller Anspruch zugemessen wird und die umfangreich mit Gesellschaftskritik, linkspolitischer Einstellung und postmodernen Theorien verbunden sind.“ (Quelle Wikipedia) Die Band Blumfeld ist dabei nicht irgendeine Kapelle, sondern zählt neben Tocotronic und Die Sterne zur Speerspitze. Kann man einem so hohen Anspruch, wie er oben formuliert ist, durchgängig gerecht werden?

Das soll ich sein
Ich schlag ins Wort ein

Nach diese ersten zwei Zeilen muss man erst einmal die Stoptaste drücken. Ich habe nächtelang über diesen Worten gebrütet und bin zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen. Also nähern wir uns dem Inhalt ganz methodisch: Der Text ist aus der Ich-Perspektive geschrieben. Das lyrische Ich fragt also „Das soll ich sein?“, ganz so als würden Hinz und Kunz morgens vor dem Spiegel stehen. Was würden Hinz und Kunz dann sagen? „Alter siehst du heut wieder Scheiße aus!“ Der intellektuell geschulte norddeutsche Musiker hält sich mit solcherlei Banalitäten nicht auf und kontert: „Ich schlage in das Wort ein“.
Zur Wortbedeutung von „einschlagen“ fallen mir zwei Varianten ein: 1. Durch Schlagen etwas zertrümmern, 2. per Handschlag einen Handel besiegeln.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und lege mich auf die erste Wortbedeutung fest. Außerdem nehme ich an, dass das Wort, welches eingeschlagen werden soll, das Wort „Ich“ ist. Das Ich zertrümmert das Ich. Und zwar nicht im wörtlichen Sinn, denn es werden keine Spiegel zerschlagen oder Köpfe an die Wand gehauen bis sie bluten. Nein, es muss sich um ein postmodernes Zertrümmern des Ich-Begriffes in einer vollkommen entfremdeten Welt, die von Dekadenz und des Nihilismus geprägt ist, handeln. Alles klar? Nein? Mir auch nicht.

Alles spricht gegen mich
Doch so war es immer
Das soll für dich sein
Ich will dir nah sein
Ich weiß, ich bin nicht gut genug
Doch bitte bleib bei mir
Ohne dich ist das Leben nur kalt und leer
Ohne dich nimm Deine Liebe nicht von mir

Moment mal, ist das aus dem gleichen Lied? Na gut, der Song trägt den Titel „Wellen der Liebe“, die Richtung war also schon mal vorgegeben. Geht es nur mir so, oder könnte das auch aus einem Schlager sein? Meine Damen und Herren, es ist 2001 und hier ist Bernhard Brink mit seinem neuen Titel „Nimm deine Liebe nicht von mir“!
Blumfeld sind Experten für Lieder über Beziehungen und Liebe. Natürlich darf und muss man über Liebe singen, aber wenn man am Anfang des Textes einen stählernen Nagel in die Wand schlägt nur um daran einen fadenscheinigen Mantel aufzuhängen, fühle ich mich verschaukelt.

Wellen der Liebe
In guten wie in schlechten Zeiten
Will ich dich lieben und mit dir leben Tag für Tag
Manchmal kann ich dich nicht ausstehen
Manchmal ist es mir zuviel
Doch nichts ist stärker als die Liebe, die ich fühl

Wäre da nicht dieser leicht derangierte, studentische Unterton in der Zeile: „Manchmal kann ich dich nicht ausstehen“, dieser Hauch von Realität, man würde am Zucker glatt ersticken.

Das soll ich sein
Ich schlag ins Wort ein
Zeichen und Fleisch zugleich
Und nur noch wenig Welt vor mir

Für alle die zu spät eingeschaltet haben und jetzt denken Nino de Angelo würde hier singen, wird der postmoderne Nagel noch eimal bemüht. Doch damit nicht genug, jetzt wird das Wort auch noch Zeichen und Fleisch. Das Wörter Zeichen sind ist semiotisches Einmaleins. Zeichen deuten auf etwas hin, das Wort „Ich“ deutet auf die Person die es benutzt und woraus sind wir? Aus Fleisch. Das ist so unappetitlich wie es wahrhaftig ist, aber was um alles in der Welt macht das in einem ansonsten rosaroten Popsong über die wahre Liebe?

Das soll für dich sein
Du fängst das Licht ein
Durch dich weiß ich, was Liebe heißt
Auch wenn der Alltag uns stumm macht
Jeder Tag, den wir beide zusammen sind
Jeder Tag mit dir macht meine Liebe neu

Jetzt fassen wir mal zusammen: Dass lyrische Ich scheint schon etwas älter zu sein, denn es hat nur noch wenig Welt vor sich (es sei denn es segelt gerade über den Rand der Welt, aber das scheint mir zu weit hergeholt), es lebt in einer Beziehung mit einer Person, die das Licht einfängt. Allerdings macht der Alltag die Beiden stumm und machmal kann das lyrische Ich den Partner gar nicht ausstehen und es ist ihm alles zu viel. Dann fühlt es sich schuldig und sagt: „Ich bin nicht gut genug, so war es immer aber (siehe weiter unten) ich arbeite an mir und bitte, bitte geh auf keinen Fall weg!“ Wenn man so drüber nachdenkt, kommt man schlecht drauf. Da würde man gern mal was einschlagen und sei es nur ein Wort.

Das soll ich sein
Ich schlag ins Wort ein
Ich weiß, ich bin nicht gut genug
Doch ich arbeite an mir
Das soll für dich sein
Ich will dir nah sein
Alles spricht gegen mich
Doch bitte bleib bei mir

Laber, laber, alles gesagt. Und ganz außer Konkurrenz: Hat jemand einen weiteren Reim als den von „sein“ auf „ein“ und „zuviel“ auf „fühl'“ gefunden? Ich nicht.

Fazit: Man kann eine Reproduktion der Engel von Raffael (ihr wisst schon, diese zwei süßen, knuddeligen, kleinen Putten) hernehmen und große schwarze Tintenklexe draufhauen. Wer es schön findet, bitte. Aber verkauft das nicht als große Kunst, denn über den beiden Figuren ragt noch zwei Meter fünfzig die sixtinische Madonna auf.

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