Olaf wer? Als die Flippers 2009
bekanntgaben, dass ihre nächste Tournee die letzte sein würde, ging
ein hörbares Aufatmen durch das Land. Der ganze Spuk dauerte noch
bis 2011, in der Sendung „Das Frühlingsfest der Volksmusik“
wurde die Band dann am 9. April durch Alfred Biolek mit einer
Laudatio verabschiedet. Ende im Gelände? Leider nein, denn Olaf
Malolepski, einer der drei Herren mit den quietschbunten Sakkos,
hatte noch nicht genug. Im selben Jahr erschien sein erstes
Soloalbum, was darauf schließen lässt, dass er nie vorhatte
aufzuhören. Auch wenn es einem in den Fingern juckt, sich über Olaf
der Flipper (!) hier auszulassen, ihn in der Luft zu zerreißen,
seine Musik zu verhöhnen und die billigen Produktionen samt
Plastikkeyboardsounds und Drumcomputern aus den Achzigern zu geißeln,
darf man doch leider nicht vergessen, dass Olaf nur ein Interpret
ist. Er schreibt seine Texte nicht, er komponiert nicht, er trällert
nur und das zur Freude von Hunderttausenden, die seine Platten
reflexartig kaufen, so wie sie es schon taten, als er noch bei den
Flippers in die Kamera grinste.
Ich wollte schon immer einen Schlager
besprechen, dass es nun die Texterin von Herrn Malolepski trifft,
verdankt sie dem Umstand, dass ihr Klient neulich in einer Talkshow
saß, in welcher ein Ausschnitt des Titeltracks seiner aktuellen
Langrille gespielt wurde.
Allein schon der Titel „Ich mach's
wie die Sonnenuhr“ lädt zum träumen ein, denn was macht so eine
Sonnenuhr? Sie wirft Schatten. Und wer würde nicht gern einen langen
Schatten werfen, anstatt im selbigen eines Anderen zu stehen. Aber
schauen wir mal, was die Profitexterin daraus macht.
Uns stehen alle Wege offen,
wir haben hundert Jahre Zeit
aus diesem Leben was zu machen,
ja, das klingt wie eine Ewigkeit.
Ja, das klingt vor allem wie
ausgemachter Blödsinn, denn wer die Statistiken kennt weiß, dass
nur die wenigsten von uns 100 Jahre haben werden und die, die so alt
werden, verbringen die letzten Jahre auch nicht immer walzertanzend
auf einer Terrasse am Mittelmeer. Allerdings soll Schlager in aller
erste Linie Trost spenden und Lebenshilfe sein, also gehört
Übertreibung des Guten zum Programm.
Wir klettern über hohe Berge
und schwimmen durch so manches Tal,
mit meinem Kompass in der Hand
gelingt mir das auf jeden Fall.
So klappern die Klischees und mir ist
natürlich klar, dass Berg und Tal hier die Hindernisse und Tiefen im
Leben sind, dass man eine Einstellung im Leben haben kann, die einem
hilft, mit allem fertig zu werden. Trotzdem muss man sauber mit den
Bildern arbeiten, die man verwendet. In meinem Kopfkino klettern
nämlich jetzt hundertjährige Rentner mit Krücken über hohe
Berge und sind dazu verdammt, nie ans Ziel zu kommen, denn kaum hat
man einen Berg hinter sich gelassen, ragt der nächste vor einem auf.
Viel schlimmer jedoch wird es in Zeile zwei, denn wie bitte schwimmt
man durch ein Tal? Man kann durch einen Fluss schwimmen oder
durch einen See, manche von denen soll es sogar in Tälern geben,
aber durch ein Tal wandert man, basta. Olaf ist inzwischen 68 Jahre
alt, deshalb nehmen wir ihm mal ab, dass er nicht mit GPS sondern
noch althergebracht mit Kompass wandert, von dem die Texterin ganz
besessen ist, wie wir noch sehen werden.
Ich mach's wie die Sonnenuhr
und seh die schönen Stunden nur
die der Tag mir verspricht
mit einem Lächeln im Gesicht
Aha. Klar, Schatten wäre ja auch zu
negativ. Die Sonnenuhr sieht die schönen Stunden nur. Das leuchtet
ein. In diesen vier Zeilen hat man das Lebensgefühl Schlager in
konzentrierter Form: Wenn man die Worte Sonne, schöne
Stunden, Tag, Versprechen, Lächeln in eine Reihe stellt kann nur
eines dabei herauskommen: Gute Laune.
Ich gehe davon aus, dass diese ersten
zwei Zeilen den ganzen Text in Gang gesetzt haben. Der lyrische
Grundeinfall des Textes wenn man so will.
Ich mach's wie die Sonnenuhr,
dann wird das Leben Abenteuer pur,
Leinen los, Fahrt voraus,
so machen wir das Beste draus.
Auch so ein Gesetz im Schlager: Refrain
bis der Arzt kommt. Also wird er gleich noch einmal wiederholt und
von der Texterin ambitioniert variiert. Absolut rätselhaft ist mir
jedoch, wie aus der Tatsache, dass man nur die schönen Dinge im
Leben an sich heran lässt, ein Leben voller Abenteuer erwächst? Am
Mangel an Reimmöglichkeiten auf Uhr kann es nicht gelegen
haben, denn es gäbe da zum Beispiel noch das wunderbar positive Wort
Dur. Ich vermute, dass der Kompass seinen Tribut forderte,
deshalb auch Leinen los und freie Fahrt voraus,
Seemannslieder haben gerade Hochkonjunktur und der Produzent fand es
sicher auch ganz toll so.
Ich stehe nicht auf kluge Sprüche:
„tu blos nicht dies und auch nicht
das“,
zu jedem Weg gehören Fehler,
verrückte Träume machen Spaß.
Wir erinnern uns an den Kern der
Textidee: Ich sehe nur das Schöne im Leben, wie die Sonnenuhr nur
die schönen Stunden anzeigt. Was dabei herauskommt, wenn man
eigentlich keinen Bock hat, sich mit dieser Simpelbotschaft weiter
auseinanderzusetzen, zeigt diese Strophe. Erst werden Leute zitiert,
die uns gar nicht interessieren, dies und das wird nicht weiter
ausgeführt und dann auch noch behauptet, dass verrückte Träume
Spaß machen. Erzähl mir das mal einer, wenn ich wieder mal
schweißgebadet aus meinem immer wieder kehrenden Albtraum aufwache,
in dem ich die Bühne vor dem Auftritt nicht finde.
Wir können siegen und verlieren
so ist's für alle vorgeseh'n
mit meinem Kompass in der Hand
werde ich nicht untergeh'n
Sie können singen und verdienen, so
ist's für Olaf vorgeseh'n. Und alle klopfen sich auf die Schenkel,
wenn banale Sätze wie diese sich in goldene Schallplatten
verwandeln. Der Kompass hat noch einmal einen großen Auftritt. Wie
zum Teufel aber hilft der einem beim Schwimmen, wo man doch dazu
tunlichst beide Hände benutzen sollte? Ich hoffe er ist nicht zu schwer,
sonst zieht er Olaf wohlmöglich noch in die Tiefe.
Stehen auch die Zeiger nicht still,
das ist mein Lebensgefühl,
noch einen Schritt weiter bis an's
Ziel.
Zeiger? Seit wann haben Sonnenuhren
Zeiger? Klar, ich hab auch verstanden, dass es um die
voranschreitende Zeit geht, aber sollte man in einem Text mit
Sonnenuhr nicht etwas wählerischer sein in der Wahl der Bilder? Und
weil ich schon so viele Fragen auf den Lippen hatte, hier gleich noch
eine: Welches Ziel? Die nächste goldene Schalplatte, das Ende dieses
Liedes, die Schlagerrente, die hundert Jahre voll machen und endlich
abtreten?
Fazit: Schlagertexte zu besprechen ist
nicht halb so lustig, wie ich es mir vorgestellt habe.