Sonntag, 6. April 2014

Farid Bang „King & Killa“



Ich hatte schon ein paar Mal mit dem Gedanken gespielt, mir einen Text aus dem Rap-Genre vorzuknöpfen. Beim Lesen der Texte habe ich allerdings schnell die Lust verloren. Nun stolperte ich beim Studium der Deutschen Album Charts der 14. Kalenderwoche 2014 über einen gewissen Farid Bang und sein Album „Killa“, welches nach der Veröffentlichung direkt an die Spitze schoss. Eine kurze Recherche im Internet förderte schnell Basiswissen und das aktuelle Video zum Song „King & Killa“ zu Tage. Kostprobe gefällig?

Wenn ein Türsteher zu mir sagt, ich passe nicht rein
Dann sag ich "Du hast Recht, ich trainier' auf Masse zurzeit"
Habe die Waffe dabei, du siehst in Särgen meine Feinde
Denn ich lege sie um als würde ich Erste Hilfe leisten
Schmerzen kenn' ich keine, du wirst niemals so wie wir
Und fick ich dich, denkst du es wär der Berliner Dom in dir
Du wirst wieder onanieren, ich fick die Hure heut Nacht
Denn ich bin ein Romantiker wie Buchverkäufer

Der erste Impuls ist natürlich, Zeter und Mordio zu schreien und fassungslos den Untergang des Abendlandes zu beweinen. Dass sich diese Zeilen jeder Textbesprechung verweigern, dass hier über Reim oder Metrum zu palavern vergebene Liebesmüh wäre, versteht sich von selbst. Das ist Kot gewordene Sprache. Aber ganz ehrlich? Die interessantere Frage ist doch: Was ist hier eigentlich los? Farid hat über 1,4 Millionen Fans auf „Facebook", seine Videos haben rekordverdächtige Klickzahlen. Schon das Vorgängeralbum aus dem Jahr 2013 „Jung, brutal, gutaussehend 2“ ging auf Platz 1, verkaufte sich über 100.000 Mal. Es ist also eine real existierende Tatsache, dass es einen erheblichen Markt für diesen hochnotpeinlichen Schwachsinn gibt. Erfolg braucht keine intellektuelle Rechtfertigung.
Tabubruch, Gewaltverherrlichung, Sexismus, Wut, maximale Provokation. In einem Interview sagte der Rapper Bass Sultan Hengzt worum es geht: „Ich bin der Krasseste. Der hat Schlampe gesagt? Ich sag fünf mal Schlampe!“ Und so ist es logisch, dass an einem Ende des Spektrums gutbürgerliche weiße Jungs ohne Migrationshintergrund wie die Fantastischen Vier oder Fettes Brot sauberen und unverfänglichen deutschen Sprechgesang fabrizieren, während am anderen Ende die Bushidos, Sidos und Farid Bangs dieser Republik den Laden aufmischen. Sind diese Leute dumm? Ganz sicher nicht. Auf dem Index zu landen ist ein Marketinginstrument. Auf dicke Hose machen ist unverzichtbarer Teil der Stilkultur dieses Genres. Also wird mit knallhartem Kalkül an der Schraube gedreht und man bleibt immer schön in der Rolle, auch wenn man sich manchmal das Grinsen kaum verkneifen kann, wenn man Sachen sagt wie: "Also, in erster Linie ist es nun mal so, dass sich in prominenten Kreisen schon herumgesprochen hat, dass ich einen äußerst ausgeprägten Genitalbereich habe, und ich denke, das ist mit der Grund, warum ich jetzt so erfolgreich bin gerade." Und so kommt langsam Licht ins Dunkel, denn es muss höllisch Spass machen, allen Rettern des wahren, guten Geschmacks (wer zur Hölle legt fest was das sein soll?) den Stinkefinger zu zeigen und meilenweit unter der Gürtellinie zu operieren. Dafür muss man nicht Goethe sein, es verbietet sich sogar von selbst.

Es wäre ziemlich verlogen, wenn man an dieser Stelle nicht auch den Blick auf die eigenen musikalischen Vorlieben richten würde. Im Metal und im Gothic gibt es auch Extreme. Was mag ein Fan von Gangsta-Rap wohl über die poetischen Leistungen der Band Eisregen denken? Das würde mich wirklich mal interessieren.

Es ist so ähnlich wie mit dem Essen. Wenn sich Leute über Haggis oder frittierte Insekten mokieren, dann erinnere ich sie gern daran, dass weite Teile der Weltbevölkerung sich nicht vorstellen können, je ein Brötchen mit rohem Hackepeter vom Schwein zu verzehren.

Fazit: Kalkulierter Tabubruch heißt das Zauberwort und verarscht wird nur, wer sich verarschen lässt.

13 Kommentare:

  1. Wieder mal sauber und auf den Punkt. Sehr gut.

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  2. Was soll man zu solchen "Texten" noch sagen? Du bringst es einfach und direkt auf den Punkt. Bleibt nur noch ein Wort an diese "Rapper": Nein, Niveau ist keine Handcreme.

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  3. Was mag ein Metal-Fan wohl über die poetischen Leistungen des Rappers Prezident denken? Das würde mich wirklich mal interessieren. Empfehlung: Menschenpyramiden.

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  4. Nur nicht den Fehler machen, anhand des Textes eines Rappers, sich ein Pauschalurteil über alle Vertreter von Hip-Hop zu machen. Das passiert noch zu vielen. Der allergrößte Teil der Szene findet ja, wie bei allen Genres, ausserhalb der Charts statt.

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  5. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  6. Verständlich... Selbst ich als Rap-Liebhaber mache einen Bogen um Farid Bang und das sagt doch schon alles, oder? Aber hier wurde das schlimmste Beispiel genommen. Ich persönlich höre alle Musikrichtungen und kann nur sagen, dass Rap textlich gesehen viel intensiver und anspruchsvoller gestaltet ist. Auch hier trifft das nicht in allen Fällen zu. Es gibt immer Ausnahmen. Und Farid Bang gehört definitiv zu den unspektakulären und primitivsten Künstlern. Aber man kann Rap niemals unter einem Kam scheren. Das gilt für jede Richtung. Wenn Du das hier lesen solltest, dann höre dir doch wenigstens das mal an: https://www.youtube.com/watch?v=zhPTMpm3YfM Das ist MUSIK!
    Das ist guter Rap und davon gibt es noch viel mehr! Du hast die Kunst von dieser Art Musik nicht erleben können. Leute wie z.B. Samy, Savas, Curse oder Dendemann (was vllt derzeit eher deinen Geschmack treffen könnte) sind das Aushängeschild für deutschen Rap... Aber wnen man sich mit Farid Bang auseinandersetzt, ist es nur nachvollziehbar, dass man dann noch mehr abgeneigt ist. Aber das war echt ein Fehlgriff...

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  7. Im Ansatz kein falscher Artikel, doch leider sehr einseitig.
    Nicht einmal was die Quervergleiche diverser Genres angeht, sondern vor allem einseitig bezüglich der Diversität innerhalb deutschsprachigen Raps.
    Natürlich ist es einfach die Namen Sido, Bushido, Farid Bang und Bass Sultan Hengzt in die Runde zu werfen, aber selbst als Außenstehender gibt es genug Positivbeispiele - und das sind Fanta4 und Fettes Brot nur zu einem kleinen Teil, da meist ungefähr so zeitgemäß wie Kassetten im Plattenladen - die durchaus textlich mehr zu bieten haben und erfolgreich in den Charts vertreten waren, siehe Peter Fox, Marteria, Casper, Jan Delay, ... geht man darüber hinaus in die Tiefe des Genres bietet deutschsprachiger Rap eine Vielschichtigkeit und lyrische Qualität, die sich ohne Probleme mit anderen Genres messen kann und mMn die meisten sogar in den Schatten stellt. Der bereits erwähnte Prezident kann als Beispiel genannt werden, außerdem Morlockk Dilemma, Gerard, Audio88 & Yassin, Djin, Grim104, JAW, ... die Liste ist lang und hat für jeden etwas zu bieten.
    Und das ist dann eben auch wieder ein Punkt, der mir bei der hier aufgeführten Argumentation aufstößt. "Ich hatte schon ein paar Mal mit dem Gedanken gespielt, mir einen Text aus dem Rap-Genre vorzuknöpfen." Diese Aussage impliziert sofort, dass Rap im Allgemeinen zur Rede gestellt werden muss und um die einseitige Fortführung ergänzt, dass Rap auch nur über stumpfe Provokation funktionieren kann und auch nur deshalb gehört wird. Dies ist schlichtweg falsch.
    Farid Bang ist was das angeht ein außerordentlich gutes Beispiel - wenn man es denn richtig analysiert und einsetzt. Der Kern seiner Musik sind Beleidigungen, Banger Geschichten und Wortspiele auf Knöchelhöhe, so weit, so gut. Vergleicht man nun seine Musik frage ich mich, was ist schlimm daran, Musik wie Farid Bang zu machen, hören oder kaufen, aber gleichzeitig vollkommen okay "Der Pate" oder Kurt Krömer zu sehen? Diese basieren auf kriminellen Geschichten oder Schlägen unter die Gürtellinie, jeweils für sich genommen zielen diese aber alle auf Unterhaltung ab und das ist eben der Punkt. Unterhält mich Produkt X oder nicht? Das ist eine ganz einfache Kiste. Wenn ich aber Produkt X gar nicht erst verstehe, und das muss ich hier leider unterstellen, fällt es natürlich einfach Herrn Krömer für einen niveaulosen Pöbler zu halten oder zu glauben, dass "Der Pate" Kinder dazu anstiftet Gangs zu gründen.

    Am Ende des Tages würde ich mir einfach mal wünschen, dass wenn "Genrefremde" über Rap schreiben wollen dies mit ausreichend Auseinandersetzung mit der Materie, Objektivität und gerne auch im Diskurs mit Kennern der Szene geschieht.
    Dafür würde ich mich sogar freiwillig melden, vielleicht kann ich ja Eisregen genauso viel abgewinnen, wie der Autor einem ihm bis dahin unbekannten Künstler!?

    Bis dahin bleibt die Auseinandersetzung leider weiterhin mit massiven Scheuklappen behaftet, was sehr schade ist, denn ich kenne mittlerweile genug Menschen, die vorher nichts mit der Materie zu tun hatten und überrascht davon waren, welch textliche Tiefe beispielsweise ein Morlockk Dilemma bietet, wie faszinierend Kollegahs Reimstrukturen sein können und wie unterhaltsam und sozialkritisch Audio88 & Yassin sein können, wenn man sie nicht als vermeintlich pöbelnde Trinker sieht.

    In diesem Sinne, allen eine gute Zeit!

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  8. Das Genre Rap bietet einfach eine gute Basis für 'Musiker' die durch Überschreitung von Grenzen Erfolg haben möchten. Wäre zur Zeit Schlager kommerziell erfolgreicher, würde es sicher nicht sehr lange dauern bis dort das gleiche Phänomen zu betrachten wäre. Dass Provokation viele Abnehmer findet, zeigt sich ja durch einen Blick in die Charts. Doch Rap als Genre durch Menschen wie Farid Bang oder Bushido verallgemeinern zu wollen funktioniert nicht. Musiker die durch Provokation finanziellen Erfolg haben repräsentieren meist kein Genre, da dieses ja eben nur Basis ist. Dass es lyrisch sehr anspruchsvollen Rap gibt steht ausser Frage. Und dass du diese Art von Rap nicht kennst wundert mich auch nicht, da du dich nicht ausreichend mit der Materie beschäftigt hast. Das zeigt sich durch deine Vergleiche zu Fettes Brot/Fanta4, die du nennst weil du sie kennst, da diese ebenfalls kommerziell Erfolg hatten. Was kommerziell nicht erfolgreich ist, ist unglaublich vielseitig und stellt lyrisch unvorstellbares mit der deutschen Sprache an, da das Genre auch dafür eine gute Basis bietet. Falls du gerne mal Rap hören würdest, den es nicht nur deshalb gibt, damit irgendjemand damit einen dicken Batzen Geld damit verdient dann hör dir folgende Künstler doch mal an:
    Audio88 & Yassin, Amewu, Luk&Fil, Eloquent, Döll, Edgar Wasser, Sichtbeton, Hiob & Morlockk Dilemma.

    Viel Spaß.

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  9. Lieber Michael Boden,

    sind Sie des Englischen mächtig? Wenn ja würde ich es Ihnen wärmstes ans Herz legen, sich einmal die Lyrik von den "Cannibal Corps" zu Ohren kommen lassen. Wenn sie die vergleichsweisen harmlosen Texte von "Farid Bang" bereits für bedenklich halten, dürfte Ihnen hier glatt die Puste ausgehen.
    Aber da ein/die Bandmitglied(er) von Cannibal Corps, die solche Texte schreiben, ja mega schnell Gitarre spielen können und musikalisch absolut top (Achtung, Ironie!) sind, ist das völlig gerechtfertig und als "künstleriche Freieheit" zu sehen.

    Aus dem Lied "Fucked with a Knife":

    "Tied tight to the bed
    Legs spread open
    Bruised flesh, lacerations
    Skin stained with blood
    I'm the only one you love
    I feel her heart beating
    my knife deep inside
    Her crotch is bleeding

    She liked the way it felt inside her
    Fucking her, harder, harder

    She liked the way it felt inside her
    Fucking her, harder, harder

    Stick it in
    Rip the skin
    Carve and twist
    Torn flesh
    From behind
    I cut her crotch
    In her ass I stuck my cock
    Killing as I cum"

    Hallo? Gehts noch Mr. Barnes? Absolut daneben der gute Herr und meiner Meinung nach absolut gefährdend, wenn von den falschen Personen gehört.
    Auf jeden Fall 1000% abartiger als die "schlimmsten" Texte im deutschen Hip-Hop... Also vielleicht erstmal vor der eigenen Türe kehren, bevor man mit dem Finger auf die "bösen" Hip-Hopper zeigt.

    Peace, Love & Unity

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  10. Ich hätte gerne ne Textkritik zu Morlock Dilemma, vielleicht zu diesem Track:
    https://www.youtube.com/watch?v=3yMYXYUwJeM

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  11. Ich persönlich fand ja nur lustig, als er in einem Interview auf seine Texte angesprochen wurde, und von wegen was sie denn bei Jugendlichen auslösen würden, dass er dann nur ganz kleinlaut gemurmelt hat, dass man das in seinen Texten doch nicht so ernst nehmen soll und das es selbstverständlich auch wichtig ist die Schule usw. ernst zu nehmen.
    Also mal ehrlich, sollte man als Musiker nicht hinter seinen Texten stehen? Auch wenn es klar Müll ist was da von sich gegeben wird, aber ich kann nicht in meinen Liedern auf dicke Hose machen nur um dann, wenn man mal auf Kritik und ähnliches stößt, dann auf einmal alles mehr oder minder abstreiten. Für mich persönlich zeigt das, was man von diesem Menschen auch privat im Leben erwarten kann. Nämlich gar nichts.

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  12. Interessante Diskussion, die sich hier entwickelt hat. :)
    Ich kann HipHop schlicht nicht zuhören.. dieses ganze Gangsta-Image ist für mich nur dicke Luft und nichts dahinter...
    Aber ich höre dann doch gerne mal die Fanta4, Seeed und Peter Fox solo, Fettes Brot, und habe am Wochenende festgestellt, dass Marteria durchaus sinnvolle Texte spricht (singen kann man doch dazu nicht sagen?!), die auch zum Nachdenken anregen...
    Dumm nur, dass die "Gangsta" dann anscheinend mehr Aufmerksamkeit zu ernten scheinen. Möglicherweise polarisieren diese auch mehr... in einer Zeit, in der man Eltern hat, die mit Heavy Metal und Punk die eigenen Eltern schocken wollten, kann man ja nur noch mit Rap zu Hause ankommen... ;)
    (Bitte meinen Text nicht allzu ernst nehmen... ich sehe manches auch ein wenig ironisch, und habe mal meine ungeordneten Gedanken mitgeschrieben...)
    Love and Peace

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